Hatzicho's Kotten
Hersteller/Händler
Dies ist keine Weihnachtsgeschichte, obwohl es gut eine sein könnte.
Seit Jahrzehnten bin ich begeisterter Flohmarktgänger. Über die Jahre immer mal mit unterschiedlichem Fokus. Vor gut 15 Jahren war mein Hauptsuchgebiet Abziehsteine. Viele gute Natursteine fanden sich aber nicht. Aufgrund meiner Beschäftigung und fortwährenden Recherche über Thüringer Wasserabziehsteine, begann ich dann auch, mich für Rasiermesser zu interessieren.
An jenem Sonntagvormittag ging ich also über den großen Wiesbadener Flohmarkt. Den an der Äppelallee. Der existiert heute immer noch, ist noch immer groß, aber lange nicht mehr so riesig wie damals, als neben den Parkplätzen vor dem heute Mann Mobilia Markt, auch die kompletten Wiesen zur Autobahn hin mit Ständen gepflastert waren. Man brauchte gut zwei Stunden mindestens um wenigstens an allen Ständen mal vorbeigekommen zu sein, ohne sich groß irgendwo länger aufzuhalten.
Ich kam also an einen Tisch mit einer südländisch aussehenden Frau mittleren Alters, die deutsch mit deutlichem Akzent sprach. In der hintersten Ecke des Tisches in einer Schale sah ich ein Rasiermesser liegen. Auf meine Bitte gab sie es mir in die Hand und ich schaute es mir an. „Aus Solingen!“ war der Kommentar von ihr dazu. Ich kann mich heute nicht mehr an die Marke erinnern, aber das Messer war, wie die meisten Rasiermesser auf Flohmärkten damals, ziemlich runtergeschruppt, von ehemals 6/8 auf vielleicht 4/8 mit ungleichmäßiger Schneide und einem deutlichen Frown in der Mitte.
„Nur 45 Euro!“ hörte ich sie sagen.
„Nah“ entgegnete ich, „… dazu ist es zu abgenutzt, höchstens 20€.“ „Niemals!“ hörte ich – „kommt doch aus Solingen!!!“ und „unter 40 Euro gehe ich nicht!“.
„OK“ meinte ich und dreht mich um, um weiter zu gehen. „Ich hab hier noch ein spanisches…“ hörte ich sie mir hinterher rufen „ ..wenn Sie das wollen, das können Sie für ‘nen Zehner haben“. Sie kramte in einer ihrer Kisten und es dauerte etwas, bis sie das gesuchte gefunden hatte.
Dann gab sie mir eine Schachtel und ich sah die Lyra mit dem Schriftzug Filarmonica darauf.
Damals, wie gesagt, ich war neu in Sachen Rasiermesser, konnte ich noch nichts damit anfangen. Ich öffnete den Schuber und nahm das Messer heraus. Zuerst stachen mir diese mintgrünen Schalen mit vertiefter, goldener Schrift in die Augen. Ich klappte das Messer auf und sah die Klinge mit Goldätzung. Auf den ersten Blick wirkte das alles für mich übertrieben und furchtbar billig, so wie heute die vielen Billigprodukte aus Fernost. Dazu war das Rasiermesser mit einem ganz groben Stein geschärft worden, man sah sehr deutliche Schleifspuren an der Schneide und auch am Rücken.
Aber irgendwie hatte es doch etwas Erhabenes.
„Puh“, sagte ich „ naja, sieht besser aus als das Solinger“ und gab ihr die 10 Euro. Auf dem Nachauseweg dachte ich noch bei mir, na hoffentlich hast du da nicht Geld für Schrott ausgegeben, wenn‘s auch nicht viel war.
Als ich dann zu Hause in den amerikanischen Foren nachforschte, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich finishte das Messer mit einem guten Thüringer und hatte eine fantastische erste Rasur.
Habe es über all die Jahre behalten, im ursprünglichen Fundzustand belassen und rasiere mich hin und wieder damit. Auch dient es mir als Warnung, nicht immer auf den allerersten Eindruck zu hören und den noch unbekannten Dingen eine Chance zu geben.
Gut scharf und frohe Weihnacht! hatzicho
Seit Jahrzehnten bin ich begeisterter Flohmarktgänger. Über die Jahre immer mal mit unterschiedlichem Fokus. Vor gut 15 Jahren war mein Hauptsuchgebiet Abziehsteine. Viele gute Natursteine fanden sich aber nicht. Aufgrund meiner Beschäftigung und fortwährenden Recherche über Thüringer Wasserabziehsteine, begann ich dann auch, mich für Rasiermesser zu interessieren.
An jenem Sonntagvormittag ging ich also über den großen Wiesbadener Flohmarkt. Den an der Äppelallee. Der existiert heute immer noch, ist noch immer groß, aber lange nicht mehr so riesig wie damals, als neben den Parkplätzen vor dem heute Mann Mobilia Markt, auch die kompletten Wiesen zur Autobahn hin mit Ständen gepflastert waren. Man brauchte gut zwei Stunden mindestens um wenigstens an allen Ständen mal vorbeigekommen zu sein, ohne sich groß irgendwo länger aufzuhalten.
Ich kam also an einen Tisch mit einer südländisch aussehenden Frau mittleren Alters, die deutsch mit deutlichem Akzent sprach. In der hintersten Ecke des Tisches in einer Schale sah ich ein Rasiermesser liegen. Auf meine Bitte gab sie es mir in die Hand und ich schaute es mir an. „Aus Solingen!“ war der Kommentar von ihr dazu. Ich kann mich heute nicht mehr an die Marke erinnern, aber das Messer war, wie die meisten Rasiermesser auf Flohmärkten damals, ziemlich runtergeschruppt, von ehemals 6/8 auf vielleicht 4/8 mit ungleichmäßiger Schneide und einem deutlichen Frown in der Mitte.
„Nur 45 Euro!“ hörte ich sie sagen.
„Nah“ entgegnete ich, „… dazu ist es zu abgenutzt, höchstens 20€.“ „Niemals!“ hörte ich – „kommt doch aus Solingen!!!“ und „unter 40 Euro gehe ich nicht!“.
„OK“ meinte ich und dreht mich um, um weiter zu gehen. „Ich hab hier noch ein spanisches…“ hörte ich sie mir hinterher rufen „ ..wenn Sie das wollen, das können Sie für ‘nen Zehner haben“. Sie kramte in einer ihrer Kisten und es dauerte etwas, bis sie das gesuchte gefunden hatte.
Dann gab sie mir eine Schachtel und ich sah die Lyra mit dem Schriftzug Filarmonica darauf.
Damals, wie gesagt, ich war neu in Sachen Rasiermesser, konnte ich noch nichts damit anfangen. Ich öffnete den Schuber und nahm das Messer heraus. Zuerst stachen mir diese mintgrünen Schalen mit vertiefter, goldener Schrift in die Augen. Ich klappte das Messer auf und sah die Klinge mit Goldätzung. Auf den ersten Blick wirkte das alles für mich übertrieben und furchtbar billig, so wie heute die vielen Billigprodukte aus Fernost. Dazu war das Rasiermesser mit einem ganz groben Stein geschärft worden, man sah sehr deutliche Schleifspuren an der Schneide und auch am Rücken.
Aber irgendwie hatte es doch etwas Erhabenes.
„Puh“, sagte ich „ naja, sieht besser aus als das Solinger“ und gab ihr die 10 Euro. Auf dem Nachauseweg dachte ich noch bei mir, na hoffentlich hast du da nicht Geld für Schrott ausgegeben, wenn‘s auch nicht viel war.
Als ich dann zu Hause in den amerikanischen Foren nachforschte, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich finishte das Messer mit einem guten Thüringer und hatte eine fantastische erste Rasur.
Habe es über all die Jahre behalten, im ursprünglichen Fundzustand belassen und rasiere mich hin und wieder damit. Auch dient es mir als Warnung, nicht immer auf den allerersten Eindruck zu hören und den noch unbekannten Dingen eine Chance zu geben.
Gut scharf und frohe Weihnacht! hatzicho