Ich habe mich auch schon an s/w-Fotos versucht, finde es aber ungleich anspruchsvoller, eine wirklich knackige Bildwirkung hinzubekommen ohne dass Elemente im grau-grau untergehen. Hat jemand vielleicht Tips?
Das ist in der Tat ein sehr interessantes und anspruchsvolles Thema. Ich muss dazu sagen, dass ich, als ich vor ungefähr viereinhalb Jahrzehnten mit dem Fotografieren begann, schon aus finanziellen Gründen zu S/W-Filmen griff. Farbe war damals aberwitzig teuer, jedenfalls für mich, einen Schüler mit kleinem Taschengeld, der seine Filme als Meterware kaufte und im heimischen S/W-Labor, aus preiswerten gebrauchten Geräten provisorisch eingerichtet, selbst aufrollte, nach dem Fotografieren entwickelte und seine eigenen Vergrößerungen anfertigte. Wenn man mit der S/W-Fotografie beginnt, wird man zwangsläufig lernen müssen, bei Motivwahl, Blickwinkel, Licht, Belichtung und auch der Bearbeitung im Labor (heute: am PC mit der entsprechenden Bildbearbeitungssoftware) "Schwarz-Weiß" zu sehen, zu denken und zu arbeiten.
Wie Du schon richtig festgestellt hast, sind gute S/W-Aufnahmen nicht einfach Farbaufnahmen, denen man die Farbe geklaut hat.

Wer glaubt, gute Farbaufnahmen durch Entsättigung in gute S/W-Aufnahmen umwandeln zu können, der wird in den allermeisten Fällen eine herbe Enttäuschung erleben, denn tatsächlich gehen die allermeisten Motive, die in der Color-Version noch so prächtig hervor stachen, in einem Einheitsbrei von Grautönen unter.
Bei guten S/W-Fotos ist es wichtig, auf einen spannenden Bildaufbau durch Linienführung, Kontraste, den gezielten Einsatz von Symmetrien und Asymmetrien zu achten und durch richtige Lichtführung das Bildmotiv bzw. die Bildaussage zu betonen.
@lotse: Die Fotografie von Rasurutensilien gehört eindeutig in den Bereich der
Tabletop- und damit auch der Werbe- und Produktfotografie und ist, zumindest auf dem Niveau, welches man hier anhand der Ergebnisse einiger Nutzer bewundern kann, schon im Grenzbereich zwischen Handwerk (denn genau dazu zählt die Fotografie) und Kunst. Ich finde überhaupt nichts verwerflich daran, wenn man sich die Werbefotografie bei der Gestaltung seiner Fotos zum Vorbild nimmt, als eine Art variable Generalvorlage, nicht als sklavisch zu kopierende Blaupause. Von erfolgreichen Profis zu lernen, das halte ich für gut und ehrenhaft.
Das unten abgebildete Beispiel habe ich tatsächlich, beim Aufbau, bei der Lichtführung (Einsatz eines
entfesselten Blitzgeräts) und beim Blick durch den Kamerasucher, ausdrücklich für eine Veröffentlichung als S/W-Foto konzipiert. Als Farbaufnahme finde ich es zwar akzeptabel, aber so richtig gut gefällt es mir "in Bunt" nicht. Selbstverständlich wurden bei der Entwicklung der RAW-Daten für die S/W-Veröffentlichung völlig andere Parameter gesetzt als bei der Color-Variante. Durch die Farbentwicklung liegt die Betonung übrigens auf einem Detail, das ich gar nicht hervorheben wollte, nämlich dem Päckchen mit den Voskhod-Klingen. Bei der S/W-Version liegt das Augenmerk, wie von mir gewünscht, auf der Pitralon-Flasche und dem Rasierhobel, erst der zweite Blick geht auf die Rasierklingenpackung, die Rasiercremetube und den Pinsel. Manchmal bedeutet der Verzicht auf Farbinformationen auch einen Gewinn, nämlich wenn man dergestalt den Blick von einem zwar farblich auffälligen, aber nicht im Fokus befindlichen Gegenstand auf das eigentliche Motiv lenken kann.
(Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich beim Aufbau leider vergaß, die Fingerabdrücke von der Rasierwasserflasche und dem Pinselgriff abzuwischen.)