MaydayGuard
Very Active Member
Ich habe nach einem Messer dieses Herstellers gesucht, weil ich die Geschichte des Unternehmens sehr interessant finde. Finden konnte ich ein „MAXARD“, das aus den 1920er Jahren stammen dürfte und das ich hier gerne vorstellen möchte.
Zum Messer:
Ursprünglich war die Klinge 7/8“+ groß. Auf den Verkaufsfotos konnte ich erkennen, dass sie durch die Vorbesitzer mittig stärker ausgeschliffen war.

Was ich nicht erkennen konnte, war, dass die Klinge zudem für das Heft etwas zu lang war und nicht hineinpasste. Das Messer ließ sich nur schließen, wenn man etwas Druck ausübte, wodurch der Kopf an den Keil gedrückt wurde. Dadurch entstanden im Laufe der Zeit zwei Scharten im Heft.
Es gab also einiges an dem Messer zu tun, um es wieder instand zu setzen. Da ich mir das nicht selbst zutraute, wandte ich mich an unseren Freund @Bartisto, der sich des Messers annahm. Nach Abschluss der Tätigkeiten bescheinigte @Bartisto dem Stahl beste Eigenschaften, was sich nach seiner Aussage beim Schärfen und bei der Testrasur schnell zeigte. Die Klingenform sei jetzt ausgewogen und die Schalen seien von den beiden Macken im oberen Bereich befreit.
Ich war sehr gespannt auf das Ergebnis. Heute kam das Messer zurück. Ich dokumentiere heute einmal das „unboxing“



… und hier ist sie, die Banderole, die für mich ein Gütesiegel für eine erstklassige Arbeit ist...


Es war klar, dass die ursprüngliche Klingenbreite nicht zu erhalten war. Aber immerhin gute 13/16“ sind geblieben. Außerdem sind jetzt die Kratzer in Längsrichtung der Klinge beseitigt. Das Messer hat ein recht ordentliches Gewicht, wobei es sehr ausgewogen in der Hand liegt. Beim Schließen gleitet die Klinge mit perfektem Widerstand sauber in das Heft.
Ich bin mit dem Ergebnis hochzufrieden!
Hier weitere Bilder:





Rasur
In Erwartung des restaurierten Messers habe ich mich seit 4 Tagen nicht rasiert, so dass ich heute dem Messer einen „reichlich gedeckten Tisch“ anbieten konnte.
Die Rasur mit dem Messer hat nicht nur großen Spaß gemacht, ich empfand sie auch im Hinblick auf das Ergebnis als grandios.
Lieber Gerhard, an dieser Stelle herzlichen Dank für Deine Arbeit.
Verschleppung der Solinger Industrie
Nun etwas zur Lokalgeschichte des Solinger Industriegebiets:
Ende der 1920er / Anfang der 1930er Jahre waren die wirtschaftlichen Umstände für viele deutsche Firmen sehr ungünstig. Betroffen waren auch die Firmen des Solinger Industriebezirks. Es gab einige, die ihre Produktion in das Ausland verlegten. Derartige Verlagerungen wurden seinerzeit in der Öffentlichkeit stark diskutiert und die „Verschleppung der Solinger Industrie“ entwickelte sich zu einem feststehenden Begriff. Besonders Anfang der 1930er Jahre nahm die Abwanderung Solinger Betriebe ins Ausland erheblich zu. Diese Entwicklung wurde als erhebliche Gefahr für die Solinger Stahlwarenindustrie eingeschätzt. Es gab keine gesetzlichen Mittel, um diese Abwanderung ins Ausland zu verhindern. Angesichts der großen Schwierigkeiten, denen der deutsche Außenhandel auf dem Weltmarkt begegnete, war aber der Anreiz für deutsche Export-Unternehmen, ihre Betriebe ins Ausland zu verlegen, sehr groß. Bei den Firmen, die ins Ausland gingen, handelte es sich fast durchgängig um Rasierklingen-Hersteller, mit einer mir bekannten Ausnahme, der Firma Hardt & Co.
Hardt & Co, Haan
Vorweg: Bei der Firma handelte es sich nicht um einen Solinger Hersteller, sondern um einen aus der Nachbarstadt Haan. Das Haaner Stadtgebiet gehört allerdings zum Solinger Industriegebiet, weshalb Hersteller aus Haan ihre Produkte ebenfalls mit dem Zusatz „Solingen“ kennzeichnen durften (erstmals gesetzlich geregelt 1938 im "Gesetz zum Schutz des Namens Solingen", das 1994 durch die „Solingen-Verordnung“ abgelöst wurde).
Die Firma Hardt & Co wurde am 1. Oktober 1913 von dem Messerreider Friedrich Hardt und dem Schleifer Wilhelm Hardt gegründet. Friedrich Hardt stammte ursprünglich aus der Stadt Wald (seit 1929 ein Stadtteil von Solingen) und heiratete die gebürtige Haanerin Emma Gräfrath. Wilhelm Hardt war ein Sohn der beiden. Wilhelm verstarb im Oktober 1914 während des Ersten Weltkriegs, ein Jahr nach der Gründung des Unternehmens.
Im Jahr 1920 wurden im Handelsregister folgende Veränderungen vermerkt: Wilhelm und seine Mutter Emma schieden aus der Gesellschaft aus, und Wilhelms Bruder Max Hardt, Rasiermesserschleifer von Beruf, trat ein. 1922 erfolgte die Auflösung der Gesellschaft; Max wurde alleiniger Inhaber der Firma Hardt & Co.
1923 wurden die Warenzeichen „HILAL“, „MAXARD“ und „SAGIR“ eingetragen.
Die Rasiermesserfabrik beschäftigte zeitweise 10 bis 20 Arbeiter. Durch die Vermittlung eines Inders namens Hussain gelang es der Firma, Geschäftsbeziehungen mit indischen Abnehmern anzuknüpfen. 1925 trat Hussain selbst in das Haaner Geschäft als Kommanditist ein und dieses firmierte daraufhin unter dem Namen „Hardt & Hussain“. Das Geschäft nahm eine zufriedenstellende Entwicklung, bis der Absatz nach Indien durch den Sturz des englischen Pfundes empfindlich gestört wurde.
In dieser Zeit tauchte der Plan auf, den gesamten Betrieb nach Indien zu verlegen. Anfang Januar 1932 traf Max Hardt in Bombay ein, um die erforderlichen Schritte zu unternehmen. Bereits kurze Zeit darauf ließ er aus Haan sieben Rasiermesser-Facharbeiter, darunter Schleifer und Ätzer, nachkommen und in Andheri, ca. 40 km von Bombay, wurde eine kleine Rasiermesserfabrikation eingerichtet. Die Betriebseinrichtung wurde aus Haan mitgenommen. Damit war in Indien die erste und bisher einzige Stahlwarenfabrik entstanden, die „Oriental Cutlery Mfg., Co. Special Factory for Razors”.
Rasiermesser-Rohlinge („schwarze Klingen“), Hefte und Schachteln wurden weiterhin aus Deutschland bezogen, während in Indien die Weiterverarbeitung bis zum fertigen Erzeugnis vorgenommen wurde. Die Heranziehung der Haaner Facharbeiter ermöglichte es der Firma, gute Qualitätsware auf den Markt zu bringen.
Die anfänglich hoffnungsvolle Geschäftsentwicklung hielt aber nicht an und sechs der Indienfahrer kehrten bereits nach wenigen Monaten nach Haan zurück. Neben den klimatischen Verhältnissen in Indien gab es auch Lohnstreitigkeiten zu beklagen, unter anderem aufgrund des Nichtvorhandenseins der Solinger Preisverzeichnisse, die Stücklohn-Tarife festlegten.
Da die indischen Hilfskräfte die Hohlschleiferei nicht ausführen konnten, musste sich Max Hardt auf einen zurückgebliebenen Facharbeiter stützen. Schließlich kehrte auch er im Oktober 1933 nach Deutschland zurück und arbeitete nach seiner Rückkehr als Werkmeister in der Rasiermesserproduktion bei einem Solinger Hersteller.
Die Firma Hardt & Hussain wurde 1938 von Amts wegen gelöscht.