Aufgrund des oben Beschriebenen gehe ich davon aus, daß Kirschbaum & Weichardt die Rasiermesser von Hermann Schmidt zugekauft und ohne Anbringung eigener Kennzeichen exportiert haben.
Ja, das macht Sinn... die einzige Information (der ich dann auch promt aufgesessen bin), daß
Kirschbaum & Weichardt das Warenzeichen BETHLEHEM genutzt haben soll, ist
(ohne Klassen- oder Datumseintrag) in der uralten und mit einigen Falschinfos behafteten Datei von
archivingindustries zu finden, die ja mittlerweile unter zig verschiedenen Titeln im Internet verbreitet ist.
Somit dürften also tatsächlich alle
BETHLEHEM Rasiermesser aus der Fertigung von
Hermann Schmidt stammen und lediglich von Kirschbaum & Weichardt verkauft worden sein.
Da es ja hier um eben diesen
HERMANN SCHMIDT geht, habe ich (auch zu meiner eigenen Aufklärung) mal etwas tiefer recherchiert...
1913 bereits arbeitet
Hermann Schmidt Sr. als Rasiermesserhersteller in den hinteren Anbauten an der Bleichstr. 11 in der Solinger Oststadt am Volksgarten Nähe Kannenhof.
1919 stirbt dort sein Vater Peter Rob. Schmidt und Hermann nimmt das Angebot der Witwe Schwiegelshohn an, die mehrere Wohn-und Fabrikgebäude an der
Schützenstr. 197 in der Südstadt verkauft.
1920 geht sein Sohn
Hermann Jr. eigene Wege und versucht sich als Handelskaufmann an der Malteserstr. 13 zu etablieren, indem er allerlei Stahlwaren an- und verkauft.
1920-21 zieht
Hermann Sr. in die neuen Gebäude an der Schützenstraße, während der Junior 1921 seine Aktivitäten an die Schlagbaumerstr. 27 verlegt.
An der Schlagbaumerstr. 27 bietet er 1922 sogar tonnenweise ROECHLING R.C.C. Stahl an...
In die Fabrikräume an der Bleichstr. 11 zieht die Fa. Kassenberg & Maus KASUMA ein.
Die Witwe Schwiegelshohn wohnt zwar 1921 noch an der Schützenstr. 197, sucht aber bereits nach einem Hausmädchen, das sie mit auf ihr Landgut nach Mettmann nehmen will.
1922 übernimmt
Hermann Jr. Am Werwolf südlich der Stadtmitte den Einkauf von Solinger Stahlwaren für die Berliner Exportgesellschaft
AMERICO.
1923 firmiert der Senior an der Schützenstr. 197 mit den Fabrikmarken "
Bethlehem" und "
Amboßschläger"
...während der Junior schon wieder umgezogen ist und an der Brühlerstr. 2 allen möglichen Export- und Transportgeschäften nachjagt...
1925 wird dem Junior wohl das Budget etwas zu knapp und er zieht zum Vater an die Schützenstr. 197 , der im Prokura für sein Geschäft erteilt...
Er tritt nun in Vaters Fußstapfen, jedoch nicht ohne den letzten Versuch einer Werksvertretung für ROFA-Schreibmaschinen aus Neuruppin...
1926 wird das Fabrikzeichen "
Bethlehem" eingetragen, entweder weil es noch nicht eingetragen war, oder weil der Vater verstorben ist...
1928 verlobt sich
Hermann Jr. mit Toni aus der alten Solinger Stahlwarenfamilie Picard, die er 1934 schließlich auch heiratet.
1941 sucht er noch Heimarbeiter zum Rasiermesser-Schleifen
1942 sucht er dann auch noch Rasiermesser Rohware zur Bearbeitung
1944 wird das Werk von Hermann Schmidt Jr. an der Schützenstr. 197 bei Krahenhöhe bei einem Luftangriff ausgebombt und weitestgehend zerstört...
1953 ist Hermann Schmidt Jun. sowohl als Fabrikant an der Schützenstr. 197, als auch an der Schützenstr. 79-81 ein Stück weiter unten zur innenstadt hin gelistet...
Wahrscheinlich betreibt er dort nur noch Handel, aber keine Produktion mehr...
1961/62 werden die Gebäude an der Schützenstr. 197 nur noch von der
Fa. Stader & Bollengraben STABO genutzt,
...einem Hersteller von Pinzetten, der bereits schon in den Vorkriegsjahren Räumlichkeiten im Hintergelände von Hermann Schmidt gemietet oder gepachtet hatte.
Heute stehen dort zwei moderne Wohnhausblöcke aus den 1980-90ern direkt an der Straße.
Auf dem Hintergelände befindet sich zwar noch ältere Gebäude, die aber wohl heute auch als Wohnhäuser genutzt werden.
Mit scharfen Grüßen aus der Klingenstadt
Rainer