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Paul A.Henckels, Solingen

DailyDriver

Writes More Here Than At Work
Der Hersteller

Paul A. Henckels (Solingen)


Paul Abraham Henckels ist ein Sohn von Johann Abraham Henckels und seiner Frau Henriette, geb. Nippes, und wurde am 7. Januar 1855 in Solingen geboren. Über den frühen Werdegang, wie etwa schulische Ausbildungen, konnte ich leider keine Angaben finden, dürfte aber seines Standes gemäß erfolgt sein. Beruflich wird er bis zur Gründung seines eigenen Unternehmens wohl der damaligen Zeit gemäß traditionsgemäß im elterlichen Betrieb angestellt gewesen sein. Er heiratete um 1884 Fräulein Cäcilia Warczawska, welche nicht aus Solingen, sondern von auswärts stammte. Für einen Solinger zur damaligen Zeit ein eher unübliches Verhalten. Mit seiner Gattin hatte er zwei Söhne, Paul (*1885 in Hürth) und Fritz (*1887 in Düsseldorf). Sein Sohn Paul wurde später ein berühmter Volksschauspieler und trat nicht nur auf der Bühne auf, sondern war bzw. ist auch in vielen Verfilmungen zu sehen. Er hat 1909 geheiratet und hatte mit seiner Gattin Cäcillia (geb. Brie) drei Kinder, welche alle entweder nach Argentinien oder Neuseeland ausgewandert sind. Er verstarb 1967 und wurde in Düsseldorf beigesetzt. Der andere Sohn, Fritz, ist um 1906 im jungen Alter von gerade einmal 19 Jahren in die USA ausgewandert, heiratete dort in New York 1908 eine gewisse Ottilie Schneider aus Kirburg.

Paul Abraham Henckels ging seinen eigenen Weg und sein eigenes Unternehmen, die Firma Paul A. Henckels, wurde mit Sitz in Solingen im Jahre 1898 ins dortige Handelsregister eingetragen. Das Unternehmen wurde als Fabrik und Versandhaus für feine Stahlwaren, Hotel- und Haushaltsgegenstände benannt und vertrieb u. a. Bestecke, Taschenmesser und natürlich auch Rasiermesser mit verschiedenen Zubehör. Im Zeichen der Zeit wurden während des III. Reiches auch in diesem Solinger Unternehmen u. a. Blankwaffen für die NSDAP und deren Organisationen hergestellt, welche heute auf den entsprechenden Plattformen hohe Preise erzielen. Auch sind noch vereinzelt Taschenmesser oder Bestecke zu finden. Dennoch lässt sich im Gegensatz zu der ja wohl schon als berühmt zu bezeichnenden Firma J. A. Henckels (Zwilling) kaum noch etwas aus dem Bereich Rasiermesser finden.​

Paul Abraham H. starb am 16. Juli 1923 mit 68 in Düsseldorf-Kaiserswerth.


Das Unternehmen Paul A. Henckels wechselte über die Jahre nicht nur den Eigentümer, sondern wechselte auch mehrfach die Geschäftsform(en).
  • 16. Mai 1898: Das Unternehmen Paul Abraham Henckels (Warenzeichen PH) mit Sitz in Solingen wird in das Solinger Handelsregister eingetragen. Inhaber ist Paul Abraham Henckels.
  • 17. März 1902: Ein gewisser Hugo Röltgen tritt als Gesellschafter in die Firma ein.
  • 26. April 1902: Hugo Röltgen ist alleiniger Inhaber
  • 1910: Eintragung Warenzeichen „Halley“
  • 1922: Paul A. Henckels Aktiengesellschaft übernimmt die Geschäfte der Firma Paul A. Henckels. Die Aktiengesellschaft ist vollständig im Besitz der Fam. Röltgen.
  • 1932 wird die Paul A. Henckels Aktiengesellschaft umgewandelt in die Stahlwarenfabrik Stöckerberg Aktiengesellschaft. Gleichzeitig wird die Firma Paul A. Henckels Nachf. als offene Handelsgesellschaft gegründet und in das Handelsregister eingetragen. (Gesellschafter sind die Ehefrauen Paula Birkendahl, geb. Röltgen, und Grete Höhmann, geb. Röltgen)
  • 1936 Stahlwarenfabrik Stöckerberg erloschen
  • Mitte der 1960er Jahre Umzug der Firma Paul A. Henckels von der Kurze Straße 10–12in die Beethovenstraße 258
  • Paul A. Henckels Nachf. GmbH & Co. KG ist seit einigen Jahrzehnten im Besitz einer Familie Lotz und heute noch in der Beethovenstraße 258 in 42655 Solingen ansässig und vertreibt Werbeartikel.

Raum für Fragen und Spekulationen …

Für den normalen Betrachter der Familien- und Unternehmenshistorie scheint hier mit großer Wahrscheinlichkeit nichts Außergewöhnliches oder gar Dramatisches erkennbar zu sein. Das ändert sich aber, sobald man sich mit der gesamten Familie Henckels und deren Unternehmensgeflecht ein wenig intensiver beschäftigt. Hier hat mir unser lieber Mitforist @SolingerStahl einige seiner Gedanken mitgeteilt, die ich auch gerne aufgreifen und darlegen möchte …​
  • Warum gründet Paul A. Henckels eine eigene Firma außerhalb des bereits expandierenden Familienunternehmens J. A. Henckels (Zwilling) und wirbt für seinen Versandhandel mit Artikeln, die weder er selbst hergestellt hat noch aus dem Familienunternehmen Zwilling stammen? Die beworbenen Artikel stammen u. a. von dem Zulieferer Hr. Hugo Röltgen.
  • Warum wurde die Firma Paul A. Henckels bereits nach so kurzer Zeit an einen neuen Inhaber, Hugo Röltgen, überschrieben?
  • Hatte sich Paul A. Henckels vielleicht finanziell übernommen? Hat er sich verspekuliert oder war er gar ein „Lebemann“?
  • Warum haben seine beiden Söhne jeweils einen anderen Weg gewählt und sind nicht in den elterlichen Betrieb eingetreten, wie es wohl in diesen Kreisen und vor allem wohl nach der Familientradition üblich gewesen wäre? (Man bedenke aber dabei, dass die oben erwähnte Überschreibung des Unternehmens bereits vor der Volljährigkeit der Söhne erfolgt ist.)
  • Auf den (nachfolgend) gezeigten Postkarten gibt es einen Hinweis für den Kunden, sich den Namen des Unternehmens genau zu merken. Ein Hinweis auf den Bruch mit dem Hause/Unternehmen J.A.Henckels?


(Alle Angaben sind ohne Gewähr und/oder Anspruch auf Richtigkeit)
Danksagung

Ich bedanke mich außerordentlich bei unseren verehrten Mitforisten und absoluten Kennern der Solinger Geschichte, @MaydayGuard und @SolingerStahl, für ihre sehr zuvorkommende Unterstützung und Hilfe. Ohne das Material, Informationen, Daten und Fakten, welche mir von ihnen zur Verfügung gestellt wurden, hätte ich mit Sicherheit eine solche umfängliche Vorstellung des Unternehmens Paul A. Henckels nicht zustande gebracht.




Vielen Dank und Gruß
Gregor


1898-05-28_Paul A Henckels (Soli.jpg
1898-05-12_Paul A Henckels (Solingen Florastraße 87) - Warenzeichen P. HENCKELS SOLINGEN PH (o...jpg



1909-10-02_Paul A Henckels (Solingen) - Warenzeichen Halley.jpg


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Paul A. Henckels

Sicherheitsrasiermesser „Krone“


Hier möchte ich euch das erste Messer aus dem Hause Paul A. Henckels vorstellen. Die Rundkopf-Klinge hat eine Breite von 5/8 bzw. 11/16 (mit Rücken gemessen) und ist nur auf der Unterseite fein seriell. Eine Klingenätzung oder irgendwelche Verzierung ist weder auf der Vorderseite noch auf der Rückseite vorhanden, lediglich der Erl bietet eine eingestanzte Numerierung „Nr. 9“ und darunter das Warenzeichen „Paul A. Henckels“. Die Klinge hat einen doppelten Ansatz und ist vollhohl ausgeschliffen, der Rücken ist glatt. Auch das schwarze Kunststoffheft (Zelluloid) ist sehr einfach gehalten und hat keinerlei Kennzeichnungen oder gar verschönernde Elemente. Der Herstellungszeitraum dieses „Ensembles“ wird in den Zeitraum von 1900-1910 verortet, was nicht zuletzt auch der heute wohl als kurios zu bezeichnenden Schreibweise von Rasi(e)rmesser auf dem originalen Pappschuber zuzuordnen ist. Das hier gezeigte Messer ist wohl unbenutzt und weißt einen sehr guten Zustand auf, die Schneidkannte dürfte noch den originalen Werksschliff haben, lediglich am Pappschuber sind hier und da minimale Alterungsspuren vorhanden.
PAH1.png

Das Besondere an diesem Rasiermesser wird nach außen hin bereits durch die deutlich breiteren Abmaße des Pappschubers. Innen ist er durch eine diagonal eingesetzte Pappbarriere in zwei gleichmäßige Bereiche aufgeteilt und bietet einerseits natürlich Platz für das Rasiermesser und andererseits für den mitgelieferten Aufsatz. Und es ist gerade dieser Aufsatz, welcher mir zu denken gab und immer noch gibt. Im ersten Augenblick dachte ich an einen sog. „Effilieraufsatz“, der im Friseurhandwerk z. B. zum Ausdünnen von Haarspitzen genutzt wird. Doch setzt man diesen Aufsatz auf die Klinge, ist es mir bis jetzt doch schleierhaft, wie das funktionieren soll. Was ich mir allerdings mittlerweile vorstellen kann, ist die Möglichkeit, dass dieser Aufsatz reinweg dem Schutz dient. Darauf lässt ja auch die Produktbezeichnung auf dem Pappschuber schließen. Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, den mit zwei Stellschrauben (Einstellen der Klingenbreite) und einer gefederten Halteklammer ausgestatteten Aufsatz an der Klinge anzubringen. Ich gehe aber von der auf dem Bild dargestellten, der korrekten Weise aus, da andere Möglichkeiten die Klinge/Schneidkante beschädigen würden. Die Form des Aufsatzes, welcher auch die Initialen P. H. trägt, erinnert ja auch schon irgendwie an eine Krone, und dies findet sich ja auch auf dem Pappschuber in der Produktbezeichnung wieder. In dem vorstehenden Posting zum Hersteller Paul A. Henckels wird ja u. a. eine Abbildung aus einem damaligen Versandkatalog gezeigt, darin ist das untere Rasiermesser auch als „Sicherheitsrasiermesser DUPLEX“ mit einfach umzuklappendem Schutzmechanismus dargestellt. Leider geht aus der Abbildung nicht hervor, ob sich das RM mit aufgesetztem Schutz auch komplett schließen ließ. Ich denke aber, eher nicht. (Eine Ausschnittsvergrößerung habe ich hier am Ende eingefügt.)​

Vielleicht kann ja ein kundiger Mitforist sein Wissen in einem Kommentar mit uns teilen. Für sachdienliche Hinweise hier schon mal ein großes Dankeschön!

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Vielen Dank und Gruß
Gregor
 
Das ist wirklich ein sehr gut recherchierter und informativer Beitrag über die Geschichte dieses Solinger Herstellers geworden und sehr schön zu lesen daumenh!daumenh!daumenh!. Vieles davon wußte ich bisher nicht.
Vielen Dank dafür lieber @DailyDriver.
 
Leider geht aus der Abbildung nicht hervor, ob sich das RM mit aufgesetztem Schutz auch komplett schließen ließ. Ich denke aber, eher nicht. (Eine Ausschnittsvergrößerung habe ich hier am Ende eingefügt.)​
Vielleicht kann ja ein kundiger Mitforist sein Wissen in einem Kommentar mit uns teilen. Für sachdienliche Hinweise hier schon mal ein großes Dankeschön!
Ich denke, mit aufgesetzter Sicherheitsvorrichtung ließ sich die Klinge nicht in das Heft einführen.

Ich habe mich vor einiger Zeit kurz mit Sicherheitsrasiermessern beschäftigt und auch intensiver zu der Firma Friedr. Ern & Co aus Weyer recherchiert. Ich konnte eben gerade finden, daß das oben angegebene D.R.G.M. 97254 auf die Firma Friedr. Ern & Co. (nicht zu verwechseln mit C. Friedr. Ern aus Wald) eingetragen wurde, allerdings nicht als Gebrauchsmuster sondern sogar als Patent. ("Sogar", weil das Gebrauchsmuster nur der „kleine Bruder“ des Patents ist.) Patentiert wurde eine "Schutzvorrichtung für Rasiermesser".

1897 Patent Sicherheitsrasiermesser.jpg


Die Firma Friedr. Ern & Co hatte zusätzlich auch ein Gebrauchsmuster eingetragen, die Nummer 69. 82603 für "eine links- und rechtsseitig einstellbare Schutzvorrichtung für Rasiermesser, aus einer auf den Messerrücken aufsteckbaren Scheide mit gelenkig damit verbundenem und feststellbarem Drahtbügel bestehend."

1897 Gebrauchsmuster Sicherheitsrasiermesser.jpg


Warum gründet Paul A. Henckels eine eigene Firma außerhalb des bereits expandierenden Familienunternehmens J. A. Henckels (Zwilling) und wirbt für seinen Versandhandel mit Artikeln, die weder er selbst hergestellt hat noch aus dem Familienunternehmen Zwilling stammen? Die beworbenen Artikel stammen u. a. von dem Zulieferer Hr. Hugo Röltgen.
Wenn das Messer nicht durch Paul A. Henckels hergestellt wurde, dann liegt es nahe, daß es eventuell durch Friedr. Ern & Co hergestellt worden sein kann.
 
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