Zunächst einmal, damit ihr nicht glaubt, der Captain habe seinen Verstand verloren: Sowohl die Rasiercreme als auch das Aftershave-Gel aus der Produktreihe "Ritual of Samurai" der holländischen Kosmetikkette Rituals waren ein Überraschungsgeschenk meiner BEVA. Da meine Holde um meinen Nassrasur-Fimmel weiß und ihn wohlwollend toleriert, wollte sie mir eine Freude machen. Woher sollte sie auch wissen, dass jeder echte Nassrasur-Aficionado sich mit Grauen abwendet, wenn eine Rasiercreme wie ein Rasiergel aus der Sprühdose nur mit den Fingern (brushless = ohne Pinsel!) aufgetragen wird und zudem eine Liste von Inhaltsstoffen aufweist wie ein ganzes Chemiewerk? Dass eine echte Aftershave-Lotion dünnflüssig ist wie Wasser, nicht dickflüssig wie ein Gel, und sich die INCI nicht, etwas sarkastisch ausgedrückt, lesen wie eine Anleitung zum Bau eines "Mischgetränks nach dem Rezept eines ehemaligen sowjetischen Außenministers"? Vor allem: Wie hätte ich ihr das alles erklären können, ohne ihre Gefühle zu verletzen? Schießlich wollte sie mir etwas Gutes tun und eine Freude machen. - Seht ihr, und deshalb musste ich mich doch wenigstens einmal mit diesem Zeug rasieren!
Gleichzeitig möchte ich aber auch meine Eindrücke mit dem Forum teilen. Vielleicht kann ich den einen oder anderen Kollegen, vor allem Einsteiger auf der Suche nach einer besonderen Rasiercreme, davor bewahren, knapp 20 € für 250 g Rasiercreme auszugeben, die man getrost als leider ziemlich schmierige Hautcreme verwenden kann und weitere 23 € für 100 ml Aftershave-Gel zu versenken, welches sich anfühlt wie ein Handdesinfektionsmittel, aber immerhin im Gesicht keinen Schaden anrichtet, selbst auf meiner sehr empfindlichen Haut nicht. Ich handele hier Creme und Aftershave-Gel in einem Beitrag ab, denn ein eigener Beitrag für das Aftershave wird sich kaum lohnen.
Creme und Aftershave kommen in edel anmutenden Verpackungen daher. Ganz ketzerisch formuliert dürfte in beiden Fällen die Verpackung hochwertiger sein als der jeweilige Inhalt:
Der Tiegel hat einen deutlich kleineren Plastikeinsatz, der nach dem Verbrauch der Creme durch einen Refill-Pack ersetzt werden kann. Geschützt wird die Creme beim ersten Aufschrauben des recht schweren Kunststoffdeckels durch eine schwarze Metallfolie, die sich leicht abziehen lässt.
Die Glasflasche mit dem Rasiergel kommt in einem grauen und silbernen Umverpackungskarton. Beides sieht ebenfalls sehr wertig aus und fühlt sich auch so an.
Die Creme selbst ist weiß, riecht wie eine Hautcreme für Männer - den versprochenen Duft nach Basilikum und Ginseng habe ich nicht zu entdecken vermocht, eher eine scharfe, leicht kräuterige Note mit schwachen Anklängen an Zitrus - und ist von ähnlicher Konsistenz wie Nivea Soft-Creme:
Ich trug die Samurai-Creme nicht allzu dick mit den Fingern auf die nasse Gesichtshaut auf, verrieb sie leicht und wartete etwa eine Minute. Dann begann ich langsam und vorsichtig, mein Gesicht von oben nach unten zu rasieren. Die Gleitwirkung war wirklich tadellos, allerdings blieb auf der Haut ein aalglattes, leicht schmieriges Gefühl. Da ich nicht zuviel Creme aufgetragen hatte, verstopfte der Seifenspalt des Hobels nicht und mit einem warmen Wasserstrahl bekam ich Rasierer und Klinge mühelos sauber. Das Rasurergebnis wurde in einem Durchgang mit dem Wuchs und einem weiteren quer dazu an Hals und Kinn insgesamt ordentlich. Das beste Ergebnis dürfte sich wohl mit einem Systemrasierer erzielen lassen, und so sind auch System-Nutzer sicherlich die hauptsächliche Zielgruppe dieser Kosmetikserie.
Einen weiteren Durchgang wollte ich meiner Gesichtshaut übrigens nicht mehr zumuten, denn letztere begann schon leicht zu brennen, was vermutlich auf einen oder mehrere Inhaltsstoff(e) zurückzuführen war. Auch nach dem Abspülen der Creme-Reste fühlte sich die Haut unnatürlich glatt an, was mir gar nicht behagte, zumal das Brennen noch etwas zunahm. Ein Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe enthüllt, dass es hier wenig natürlich, dafür mit ganz viel konventioneller Chemie und sogar Mikroplastik zugeht, welches die Haut wie ein Film überzieht, womit auch die unnatürliche Hautglätte nach der Rasur erklärt werden kann:
Erst das Aftershave-Gel schaffte hier tatsächlich Abhilfe. Es kühlte und linderte das Brennen sehr effektiv und verströmte dabei einen Duft, den man mit viel Wohlwollen als Basilikum und Ingwer mit einem zitrischen Unterton durchgehen lassen kann. Die Liste der Inhaltsstoffe ist, analog der der Rasiercreme, fast endlos lang und sie enthält nur wenige natürliche Zutaten, dafür aber immerhin Glycerin, Aloe Vera und Panthenol:
Interessanterweise finden sich die Inhaltsstoffe nur auf der Umverpackung aufgedruckt, die Rückseite der Flasche hat man statt dessen mit einer endlosen Werbelitanei zugepflastert.
Fazit: Wenn man es ausnahmsweise extrem eilig hat, kann man diese Rasiercreme notfalls verwenden. Die Firma Rituals ist m. E. wie L'Occitane, Body Shop u. a. Kosmetikketten geschickt im Vermarkten und im sogen. Greenwashing, doch die Produkte selbst sind weder sonderlich hochwertig noch außergewöhnlich "grün" oder natürlich. Vielmehr handelt es sich um m. E. überteuerte konventionelle Massenware mit z. T. fragwürdigen Inhaltsstoffen, die keinem Vergleich mit qualitativ hochwertigen, traditionellen Produkten für die klassische Nassrasur standhält. Bleibt nur die Frage, ob sich ein richtiger Samurai mit Produkten von Rituals rasieren würde? - Antwort: Bestimmt nicht! - Ein echter Nassrasur-Aficionado tut das übrigens auch nicht!