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Wolferts & Co (Landwehr bei Solingen) - HYGIEIA, Wolfius

MaydayGuard

FdR-Pate
Bei der Firmengeschichte möchte ich etwas ausholen, da es bei diesem Rasiermesserhersteller vor allem um den Fabrikanten Heinrich Wolferts geht.

Ich fange an mit der Firma Gebrüder Wolferts in Ohligs, die 1871 gegründet wurde. Im Jahre 1886 ließen die vier Brüder Rudolf, Heinrich, Julius und August Wolferts (allesamt Fabrikanten zu Ohligs) die Firma in das Handelsregister von Solingen eintragen. Das Unternehmen war auf die Herstellung von Celluloid- und Horngriffen für Rasiermesser, Messer und Schirme spezialisiert.

1896 verließ Heinrich Wolferts, die Gesellschaft, die von den drei Brüdern weitergeführt wurde und schließlich 1937 liquidiert wurde.

Zu dem Zeitpunkt des Austritts von Heinrich Wolferts existierte bereits das Unternehmen Wolferts & Cie, welches Rasiermesser herstellte. Die Firma Wolferts & Cie wurde 1888 in dem „Adressbuch aller Länder der Erde, der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden, Gutsbesitzer etc.“ erwähnt. Sitz der Firma war der Ort Landwehr, der damals zur Gemeinde Richrath gehörte und 71 Einwohner zählte. Ich vermute, daß diese Firma bereits Heinrich Wolferts gehörte, weil, schon bevor er sich von seinen Brüdern trennte, Patente auf seinem Namen angemeldet waren u.a. ein Rasiermesser-Patent aus dem Jahr 1893.

Im Jahre 1898 gründete Heinrich Wolferts mit dem Kaufmann Louis Jansen aus Ohligs die Firma „Wolferts und Jansen“ mit dem Sitz zu Landwehr. Die Gesellschaft dauert aber keine 4 Monate an, da schied Louis Jansen bereits wieder aus und die Firma wurde von Heinrich Wolferts allein weitergeführt, bis er 1901 die Firma löschen ließ und zusammen mit dem Kaufmann Georg Barnarius das Unternehmen Wolferts & Co mit Sitz zu Landwehr gründete. Auch diese Firma den Geschäftszweck der Fabrikation und des Vertriebs von Rasiermessern.

1902 wurde der Schriftzug „Wolferts & Co [über] Solingen-Landwehr“ als Warenzeichen eingetragen, bei dem der Buchstabe „W“ des Wortes Wolferts aus zwei halbaufgeklappten Rasiermessern gebildet wird. 1903 kam das Warenzeichen HYGIEIA hinzu. Das Warenzeichen Wolfius habe ich im Internet in einer Werbeanzeige von 1912 gesehen.

1911 wurde auch diese Gesellschaft aufgelöst und Heinrich Wolferts führte das Unternehmen allein weiter. Wie lange es die Firma Wolferts & Co gab, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. In anderen Foren wird geschrieben, daß die Firma bis 1920 existierte.

Erwähnenswert scheint mir zu sein, daß Heinrich Wolferts auch ein Patent auf eine Rasiermesserschleifmaschine besaß. Die Patentbeschreibung in den USA aus dem Jahre 1897 konnte ich finden und zeige sie hier:
1897-08-16_Heinrich Wolferts (Landwehr) - Razor Grinding Machine - US Patent Office.jpg


Bis ich dieses Messer gesehen habe, wußte ich nicht, daß es auch in Landwehr (das ist ca. 3 km von Ohligs entfernt) einen Rasiermesserhersteller gab. Das hat das Messer für mich interessant gemacht, fahre ich doch fast täglich durch diesen Ortsteil hindurch.

Mein Messer trägt den Schriftzug Wolferts ohne das stilisierte „W“. Möglicherweise ist es eines der alten Rasiermesser aus Landwehr, damit wäre es zwischen 120 und 135 Jahre alt, genau weiß ich das natürlich nicht. Für das geschätzte Alter würde ich den Zustand als gut bewerten. Mir gefällt an dem Messer, daß es auf Funktionalität getrimmt ist und z.B. eine relative grobe Serrierung des Erls auf der Unterseite sowie eine weitere Serrierung auf der Oberseite besitzt. Die Klinge hat heute immer noch eine Breite von 6/8".

Ich habe das Messer bereits zweimal benutzt und kann ihm vorzügliche Rasiereigenschaften bescheinigen.
Hier die Bilder:

Wolferts & Co_Landwehr bei Solingen_0001.JPG
Wolferts & Co_Landwehr bei Solingen_0003.JPG
Wolferts & Co_Landwehr bei Solingen_0004.JPG
Wolferts & Co_Landwehr bei Solingen_0005.JPG
Wolferts & Co_Landwehr bei Solingen_0006.JPG
Wolferts & Co_Landwehr bei Solingen_0007.JPG
 
Ein relativ unscheinbares Messer, dass durch die Geschichte und Recherche wesentlich interessanter wird. daumenh!
Weiß jemand, was der Ausdruck "& Cie" bedeutet?
 
Ein relativ unscheinbares Messer, dass durch die Geschichte und Recherche wesentlich interessanter wird. daumenh!
Weiß jemand, was der Ausdruck "& Cie" bedeutet?
"Der Firmenzusatz Compagnie, Co. oder Cie. abgekürzt, ist im Handelsrecht ein Hinweis auf die Rechtsform von Personengesellschaften mit mehr als zwei Gesellschaftern. Das Kürzel wird in der Regel am Ende eines Namens nach einem Et-Zeichen angefügt (& Co.). Die Maria Mustermann, Max Mustermann & Co. Steuerberater GbR besteht also außer Maria und Max Mustermann noch aus weiteren Gesellschaftern.[1]

Die Abkürzung Cie. wurde bis in das 19. Jahrhundert im gesamten deutschsprachigen Raum gebraucht. Heute ist in Deutschland und Österreich die Abkürzung Co. üblich. Aus Gründen der Tradition wird Cie. jedoch in einigen Firmen weitergeführt, etwa bei der Privatbank Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA oder dem Hausgerätehersteller Miele & Cie. KG. In der Schweiz und Frankreich ist Cie. noch heute gebräuchlich"

So laut Wikipedia :proud
 
Auch wenn es eine Leihgabe eines lieben Forenkollegen ist, so möchte ich Euch dieses Messer nicht vorenthalten. Es ist mir ein inneres Blumenpflücken, daß ich diese Rarität benutzen durfte. Ich hatte damit meine heutige Rasur und glaube (selbst als Anfänger) sagen zu dürfen, das Messer ist fantastisch. Klar spielt das Schärfen eine Rolle, aber es muß natürlich auch das "Grund-Material" von entsprechender Qualität sein. Ich vermute, daß es sich nicht um das original Heft handelt, kann es aber nicht Bestimmtheit sagen.

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Ein sehr schönes, wenn auch in seinem Erscheinungsbild - bis auf den Zierrücken - äußerst schlicht gehaltenes Exemplar, Allgäuhobel!
Vielen Dank fürs Vorstellen!

Diese beiden überlappenden Rasiermesser sollen also das besagte stilisierte W sein, dies klingt plausibel.

Gibt es eine Quelle, die diese Verbindung zu Wolferts dokumentiert?

MfG InHELL
 
Es ist mir ein inneres Blumenpflücken, daß ich diese Rarität benutzen durfte. Ich hatte damit meine heutige Rasur und glaube (selbst als Anfänger) sagen zu dürfen, das Messer ist fantastisch. Klar spielt das Schärfen eine Rolle, aber es muß natürlich auch das "Grund-Material" von entsprechender Qualität sein.
@Allgäuhobel, ich glaube dir das sofort.
Auch mein Wolferts rasiert so gut, daß ich es, seitdem ich es habe, bestimmt zwei Wochen ausschließlich benutzt habe. Und ich habe einige andere zur Auswahl ;) , aber dieses macht so viel Spaß. Als ich den Thread eröffnet habe, wollte ich zuerst was in der Richtung schreiben, habe es aber dann gelassen. Wer würde es schon glauben, wenn ich geschrieben hätte, daß es meinen 14er Klingen ebenbürtig ist?
Auch ich glaube, daß die Stahlbeschaffenheit etwas damit zu tun hat, kann das aber nicht weiter spezifizieren.
Das gleiche Empfinden habe ich übrigens bei einem meiner Gebr. Dittmar-Messer, das sogar noch ein paar Jährchen älter ist. Die alten Materialien müssen schon etwas gehabt haben und die Leute, die die Messer hergestellt haben, waren richtige Könner.
 
Bei der Firmengeschichte möchte ich etwas ausholen, da es bei diesem Rasiermesserhersteller vor allem um den Fabrikanten Heinrich Wolferts geht.

Ich fange an mit der Firma Gebrüder Wolferts in Ohligs, die 1871 gegründet wurde. Im Jahre 1886 ließen die vier Brüder Rudolf, Heinrich, Julius und August Wolferts (allesamt Fabrikanten zu Ohligs) die Firma in das Handelsregister von Solingen eintragen. Das Unternehmen war auf die Herstellung von Celluloid- und Horngriffen für Rasiermesser, Messer und Schirme spezialisiert.

1896 verließ Heinrich Wolferts, die Gesellschaft, die von den drei Brüdern weitergeführt wurde und schließlich 1937 liquidiert wurde.

Zu dem Zeitpunkt des Austritts von Heinrich Wolferts existierte bereits das Unternehmen Wolferts & Cie, welches Rasiermesser herstellte. Die Firma Wolferts & Cie wurde 1888 in dem „Adressbuch aller Länder der Erde, der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden, Gutsbesitzer etc.“ erwähnt. Sitz der Firma war der Ort Landwehr, der damals zur Gemeinde Richrath gehörte und 71 Einwohner zählte. Ich vermute, daß diese Firma bereits Heinrich Wolferts gehörte, weil, schon bevor er sich von seinen Brüdern trennte, Patente auf seinem Namen angemeldet waren u.a. ein Rasiermesser-Patent aus dem Jahr 1893.

Im Jahre 1898 gründete Heinrich Wolferts mit dem Kaufmann Louis Jansen aus Ohligs die Firma „Wolferts und Jansen“ mit dem Sitz zu Landwehr. Die Gesellschaft dauert aber keine 4 Monate an, da schied Louis Jansen bereits wieder aus und die Firma wurde von Heinrich Wolferts allein weitergeführt, bis er 1901 die Firma löschen ließ und zusammen mit dem Kaufmann Georg Barnarius das Unternehmen Wolferts & Co mit Sitz zu Landwehr gründete. Auch diese Firma den Geschäftszweck der Fabrikation und des Vertriebs von Rasiermessern.

1902 wurde der Schriftzug „Wolferts & Co [über] Solingen-Landwehr“ als Warenzeichen eingetragen, bei dem der Buchstabe „W“ des Wortes Wolferts aus zwei halbaufgeklappten Rasiermessern gebildet wird. 1903 kam das Warenzeichen HYGIEIA hinzu. Das Warenzeichen Wolfius habe ich im Internet in einer Werbeanzeige von 1912 gesehen.

1911 wurde auch diese Gesellschaft aufgelöst und Heinrich Wolferts führte das Unternehmen allein weiter. Wie lange es die Firma Wolferts & Co gab, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. In anderen Foren wird geschrieben, daß die Firma bis 1920 existierte.
Sehr schöne Recherche + Doku !
Die 1912er Werbung ist dahingehend interessant, weil das Doppel-Rasiermesser hier "Klinge auf Klinge" überlappt, anstatt 2 RM parallel zu zeigen wie vorher...

Wolferts & Co. Landwehr-Solingen Werbung 1912.jpg


Ob Heinrich sich hier bewußt von den Vorgeschäften absetzen wollte...?
Jedenfalls hat sich die geschlagene Punze auch unter Heinrich nicht geändert.

Ich kann noch ein anonymes 6/8 Exportmesser beisteuern, wohl noch aus der Zeit vor dem 1.WK... rückseitig ist der Erl blank...

Wolferts & Co. Landwehr-Solingen Made in Germany (Doppel-Rasiermesser) 6-8'' French Bakelite s...jpg


und eins, das wohl in den 1920ern mal den Weg nach Frankreich gefunden hat... rückseitig steht auf dem Erl nur EXTRA HOLLOW GROUND

Wolferts & Co. Landwehr-Solingen Made in Germany (Doppel-Rasiermesser) 6-8'' Rund SOLINGEN bei...jpg


und hier noch ein 5/8 mit spiegelverkehrter Punze...

Wolferts 5-8 RD schwarz + Busch,Otto 7-8 Bakelite € 62,- JörgTreftz a.jpg


auch hier ist der Erl rückseitig blank...
 
Meine Beute aus der Bucht. Ein Wolferts mit "Fremd-Heft".
Es hat eine Menge an Zuwendung bedurft, daß es nun in diesem annehmbaren Zustand ist. Er wäre noch mehr möglich, aber ich bin der Meinung, ab einem gewissen Alter darf man den Zahn der Zeit gerne ein weinig sehen. Das verleiht dem Messer Authentizität.
Zumindest hat es keine Ausbrüche oder sonstige Schäden an der Klinge. Das Heft ist auch i.O. , das war mir wichtig. Es gefällt mit nach der umfangreichen Aufarbeitung richtig gut.
Ich stelle mit gerade vor, daß Fa. Wolferts & Co vor der Auflösung steht, aber noch einige Messer ohne entsprechendes Heftmaterial vorhanden sind. Jetzt wird es spekulativ, da ich in den geschichtlichen Zusammenhängen etc. nicht bewandert bin. Frägt man in der o.g. Situation bei der befreundetet Konkurrenz nach, ob bei denen Heftschalen feil wären, die keine Verwendung mehr haben?
Gibt es eine andere, fundiertere These, wie es zu so eine Fremdbeheftung kommt?

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