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F. von Brosy Steinberg Gräfrath-Solingen (Anker+Schlüssel, VON BROSY, BRYSO, BARBO) 1872-1950s

SolingerStahl

Hersteller/Händler
Franz Carl Ernst von Brosy entstammt einer bürgerlichen Familie aus Wermelskirchen, Seine Vorfahren sind Amtsverwalter, Gerichtsschreiber und Richter zu Burg bei Solingen.

Sein Ur-Ur-Großonkel erhält 1744 in Prag den Zusatz „von Steinberg“ verliehen. Das ermöglicht seinem Urgroßvater Arnold Brosy von Steinberg in Heidelberg Jura zu studieren und Hofrat beim Fürsten von Salm-Salm in Hoogstraten / Belgien zu werden. Dessen Kinder mit der Baroness Alexandrine Carolina von Plettenberg-Engsfeld werden dann im holländischen Roermond als „von Brosy“ getauft. So auch Franz-Joseph von Brosy (1780-1845), der 1795 auf der Flucht vor den Franzosen von Roermond mit seinen Eltern nach Merscheid bei Solingen flieht und 1806 in Gräfrath bei Solingen Maria Catharina Rauh aus Gräfrath heiratet. Sein Sohn Rudolph F. von Brosy wird Optiker und arbeitet in Gräfrath am Täppken mit dem namhaften Augenarzt Friedr. H. de Leuw zusammen.

Rudolph's Sohn, der 1846 geborene Franz C. E. von Brosy entscheidet sich nach seiner Kaufmannsausbildung im väterlichen Hause jedoch anders und tritt 1872 als Gesellschafter in die Stahlwaren-Handelsgesellschaft Gustav Kremer ein, die ab dann den Firmennamen Kremer und von Brosy führt.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1872 Kremer&vonBrosy.jpg


1881 sind Kremer und von Brosy bereits Fabrikanten von Messern, Scheeren, Korkenziehern etc.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1881 Werbung.jpg


1884 betreibt auch der jüngere Buder Ernst von Brosy mit Cuno Kohl die Stahl- u. Eisenwaarenfabrik und Handlung Von Brosy & Kohl in Gräfrath im Hause des Onkels Hermann van Brosy, seine Frau ist dort noch als Witwe gelistet.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1884 Ernst+CunoKohl.jpg


Der Vater Rudolf von Brosy ist noch als Optikus am Täppken Gräfrath 305 gelistet.

1889 gründet Franz von Brosy zusätzlich seine eigene Firma, der er seinen alten Familientitel STEINBERG anhängt, was er bereits bei der Geburt seines Sohnes Hans-Rudolf 1886 getan hat,

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1889 HRG.jpg


…und meldet am gleichen Tag sein Warenzeichen SCHLÜSSEL + ANKER für F. von Brosy-Steinberg an.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1889 ANKER & SCHLÜSSEL WZ Warenzeichen.jpg


Mit diesem Warenzeichen produziert er nun auch Rasiermesser…

von Brosy,F. Steinberg #22 Spanish 9-8'' schwarz a1.jpg


Da nicht bekannt ist, ob er zu dieser Zeit auch eine eigene Schlägerei hatte, könnte diese typische Klinge noch von KNYN oder PICARD in Gräfrath geschlagen worden sein.

von Brosy,F. Steinberg #22 Spanish 9-8'' schwarz a.jpg


1895 bezieht Franz von Brosy Steinberg sein neues Fabrikgebäude an der Adresse Gräfrath 160, der heutigen Wuppertaler Str. 249/251

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath WuppertalerStr.251 1895 Fabrikgebäude.jpg


Links daneben befindet sich die Verwaltung in seinem elterlichen Wohnhaus, dem einstigen Praxishotel des befreundeten Augenarztes Friedr. de Leuw, beide Gebäude bestehen heute noch.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath WuppertalerStr.251 Wohnhaus+Fabrikgebäude a.jpg


Das Warenzeichen SCHLÜSSEL + ANKER von 1889 wird 1895 erneuert

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1895 ANKER & SCHLÜSSEL Kl.9b WZ 1889 Warenzeichen.jpg


und mit neuer, moderner Klingenform wird um die Jahrhundertwende herum mein #29 Schorkopf-Rasiermesser mit Daumenmulde produziert

von Brosy,F. Steinberg #29 Schorkopf SL 7-8'' schwarz a0.jpg


1909 wird das Warenzeichen BARBO eingetragen

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1909 BARBO WZ Warenzeichen.jpg


Mittlerweile ist von F. von Brosy Steinberg auf Rasierprodukte spezialisiert und stellt den Sicherheits-Rasierapparat BROSY vor

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1909 Sicherheitsrasierapparat.jpg


Zu diesem Rasierapparat wird ebenfalls eine patentierte Schärfvorrichtung für Keilklingen angeboten.

1912 tritt sein Sohn Hans von Brosy-Steinberg mit dem Kaufmann Hans Schöpp ins Unternehmen ein, das zur offenen Handelsgesellschaft umfirmiert.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1912 Hans v.Brosy+HansSchöpp OHG.jpg


1920 verstirbt Franz von Brosy-Steinberg und seine Ehefrau Auguste geb. Herder übernimmt

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1920 Franz+HRG.jpg


1922 feiert die Firma F. von Brosy Steinberg 50-jähriges Jubiläum

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1922 ANKER & SCHLÜSSEL Werbung.jpg


Abgebildet ist das erste Geschäftshaus am Täppken in Gräfrath und die neue Fabrik mit Verwaltung am Stadtrand.

Man fertigt für den Export nach Frankreich das LE SPECIAL Rasiermesser #54 mit 1/1 Hohlschliff

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath #54 1-1 Anker&Schlüssel 6-8'' RD Gal sw a2+b2.jpg


Im gleichen Jahr stirbt auch Auguste von Brosy geb. Herder und dem Kaufmann Otto Tesche wird Prokura erteilt.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1922 +Witwe Prok.OttoTesche.jpg


In den 1920ern wird ebenfalls dieses #42 ½-hohle Berufsmesser für den englischen Kosmetik- und Barbierbedarfshändler SKINETOLIN Co. in London hergestellt

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath #42 1-2 SKINETOLIN 5-8 RD Gal sw a+a1.jpg


Für den Veterinär- und Laborbedarfshändler Wilhelm Walb Nachfolger wird nach 1929 dieses Edelstahl-Rasiermesser #38 gefertigt, schon mit neuer Adresse Solingen-Gräfrath.

von Brosy,F. Steinberg Solingen-Gräfrath #38 RD 5-8'' VA f. Wilh.WalbNachf. €20,- ebay a+a1.jpg


1932 überlebt das Unternehmen nach schweren Zeiten in der Wirtschaftskrise einen Konkurs im Vergleichsverfahren und kann danach weiter produzieren.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath-Solingen 1932 Vergleich a+b.jpg


1936 wird immer noch Hans von Brosy-Steinberg als inhaber der Firma geführt. Hier ein typisches Produkt dieser Zeit mit Celluloid-Bambus-Heftschalen.

von Brosy,F. Steinberg Gräfrath #101 Anker&Schlüssel 4-8'' RD Cell Bambus a+a1.jpg


In den späten 1930ern wird dann eins der vielleicht letzten Rasiermesser hergestellt, das uns hier bereits schon einmal von @sakaltras gezeigt wurde.

von Brosy,F. Steinberg Solingen-Gräfrath 6-8 RD Anker&Schlüssel Cell meliert sakaltras FDR a.jpg


1953 wird das Unternehmen noch mit der Witwe Elisabeth von Brosy und dem Geschäftsführer Hans von Werthern gelistet. Für eine aktive Geschäftstätigkeit gibt es keine Hinweise mehr.

1976 ist bereits der Rasierklingenhersteller Friedrich Lutz mit Ehefrau Emma der Eigentümer an der Wuppertaler Str. 251. Alexander Lutz ist heute noch mit LUTZ BLADES dort als Hersteller von Spezialklingen tätig.



Mit scharfen Grüßen aus der Klingenstadt

Rainer
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Rainer, mir gehen langsam die Superlative aus! Ein imposanter Bericht zur Solinger
Geschichte. Vielen Dank für diese tolle Arbeit! :daumenhoch

Gruß
Gregor

P.S. Wieviel Hersteller von scharfen Stahlwaren gab es zu Hochzeiten in und um Solingen herum?
Ich habe mal von eine Zahl 400 gelesen…mag sein, da sind einige Heimarbeiter wie Schleifer oder
Reider dabei, dennoch haben wir bei deiner Hingabe noch einiges zu erwarten…:happy
 
P.S. Wieviel Hersteller von scharfen Stahlwaren gab es zu Hochzeiten in und um Solingen herum?
Ich habe mal von eine Zahl 400 gelesen…mag sein, da sind einige Heimarbeiter wie Schleifer oder
Reider dabei,

Es kommt darauf an, welchen Zeitpunkt man betrachtet. Gerüchte besagen, daß in den frühen 1920ern im Industriebezirk Solingen (der auch Haan, Landwehr, Leichlingen und Trotzhilden umfasste) bis zu 1500 produzierende Betriebe für Rasiermesser, Rasierapparate und Klingen gemeldet waren. Bei allgemeinen Stahlwaren kursieren Zahlen von bis zu 2500 Betrieben.
Darunter natürlich viele (wohl eher um 75%) Klein- und Kleinstbetriebe, wie Zulieferanten und selbstständige Lohnarbeiter, die mit ihren Familienmitgliedern meist im Hinterhof eines Wohngebäudes in sogenannten Kotten (Anbauten oder Kleinwerkstätten auf dem Hintergrundstück) gearbeitet haben. Die wenigsten davon hatten bis zu 10 externe Mitarbeiter.
Oft entwickelten sich daraus aber auch namhafte Betriebe und Hersteller.
 
Oft entwickelten sich daraus aber auch namhafte Betriebe und Hersteller.
Es heißt ja nicht von ungefähr „Wir haben alle mal klein angefangen.“ wenn man sich einmal
überlegt, wieviel Menschen von und mit diesem Industriezweig rund um Solingen gelebt haben
und was davon nach knapp 100 Jahren übrig geblieben ist…

Vergleichbares kenne ich auch aus dem Bereich der Uhrenindustrie, z.B. im sog. „Tal der Uhren“,
im französischen auch „Vallée de Joux“ genannt, ein Hochtal im Schweizer Jura. Dort war das Gefüge
auch ähnlich verteilt, überwiegend in Heimarbeit herstellende Zulieferer. Daher kommt m.W.n. übrigens
auch die Bezeichnung eines der mit am meisten verbauten Uhrenkaliber, das Valjoux 7750. Heute sind
dort „nur“ noch wenige Hersteller übrig, meist aus dem Luxussegment.

Bei den Rasiermessern war es erst der Sicherheitsrasierer (Rasierhobel), dann die Elektro- u. Systemrasierer,
bei den Uhren wohl vornehmlich die Quarzuhr und damit einhergehende Billigimporte aus Fernost.
 
Einfach unfassbar wie viele Rasiermesserhersteller es einstmals gab.
Und noch unfassbarer wie wenig davon übrig geblieben sind. :oops:
 
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