Da bin ich mit meiner Meinung wohl ein Teilausreißer. Bei was ich zustimmen kann, ist die gute Qualität des Stahls und die Wiederholgenauigkeit der Schliffe.
Alte Messer kommen aus einer Zeit, in der die Messerrasur eine relative Notwendigkeit war. Darauf hat sich die damalige Messerindustrie eingestellt. Es wurden gute Messer in Serienproduktion hergestellt. Daß es heute eine untergehende Kunst ist, liegt nicht nur an der fehlenden Weiterentwicklung der guten Produkte. Aber das ist nicht das Thema.
Wer sich heute mit einem Messer rasiert, hat meist andere Beweggründe, als die o.g. Notwendigkeit. Ich teile das Messerklientel mal in drei Gruppen.
1. old school RM:
Diese Männer freuen sich am nostalgischen Gefühl ein Werkzeug zu benutzen, das viele Dekaden der Zeit gesehen haben. Evtl. sogar eines, mit einem berühmten Vorbesitzer. Es lässt sich sehr gut schärfen, da der Carbonstahl sehr hochwertig ist und der Rostbefall durch entsprechenden Umgang und Pflege vermieden wird. Da sieht man auch mal über einen gratigen Ansatz hinweg. Die Schlichtheit ist ein großes Plus dieser Rasiermesser.
2. neue RM aus alten Produktions-Stätten:
Wie oben erwähnt, hat die Rasiermesserindustrie, durch Hobel und Systemrasierer, Ihre Daseinsberechtigung im Wesentlichen eingebüßt. Es ist aber auch so, daß es kleine Manufakturen schaffen, mit ihren Produkten den Zeitgeist zutreffen und zu überleben. Das haben die "alten" Hersteller verpasst, sich darauf einzustellen. Selbst die heute hergestellten RM sind nicht mehr von so guter Qualität, da das Fachwissen verloren geht und nicht für den Erhalt gesorgt wurde. Stichwort, nicht rasurscharfe Auslieferung. Auch ist es heute schwer, guten (brauchbaren) Stahl für so eine kleine Abnehmerzahl, zu einigermaßen erschwinglichen Preisen, bereitzustellen.
3. moderne RM (Manufakturware)
Hier haben sich eine paar pfiffige Kunsthandwerker eine Nische ausgebaut, die den modernen Bedarf bedient. Nicht zuletzt hat der JB 007-Hype die RM Verkaufszahlen angekurbelt. Aber es sind imho die Rasur-Nerds die sich dort bedienen lassen. Leute, die Geld in ein Hobby investieren. Gerade in der jetzigen Zeit, in der die Boomer in Rente gehen und es vielen davon gut geht. Ich fürchte das wird in ein paar Jahren wieder nachlassen.
Nichts destotrotz bieten diese Künstler Rasiermesser an, die nicht nur einen fantastischen Stahl bieten, sondern auch in der Verarbeitung an der Handwerkerspritze arbeiten. Eine Individualisierung durch ausgewählte Heftmaterialien, befördern die Preise zwar teilweise in astronomischer Höhe, haben aber dafür einen hohen Wiederverkaufswert. Diese RM tragen durch ihre Wertigkeit und Perfektion, eine großes Kultpotential in sich. Wer sich also gerne eine schicke Uhr trägt oder gerne ein hochwertiges Auto fährt, wird beim einem RM-Bedarf bei der Manufakturware zugreifen.
Zu meiner pers. Vorliebe: Die liegt klar in der 3. Gruppe. Ob Koraat oder Buddel, das sind die Lieblinge meiner kleinen Ansammlung. Trotzdem besitze und benutze ich ein paar alter Solinger und RM europäischer Herkunft, die mir die alte Handwerkskunst vor Augen führen und mich dankbar machen, daß es sie noch gibt. Es ist die Möglichkeit, eine Wahl zu haben, mit was ich mich rasieren möchte. Von nostalgisch gut bis komfortabel elegant. Oft ist die Bedarfssituation entscheidend. Ob Berghütte oder Nobelhotel, ich habe eine kleine Auswahl, die meine Rasuren stets zum Erlebnis machen.