Der link zum Nachbarforum über dem Teich existiert zwar schon, nachfolgend für das FdR aber auch einmal einen kurzen Abriss über die Geschichte der Firma Paul Drees in deutscher Sprache:
Paul Drees startete sein Geschäft als Rasiermesserschleifer nach dem Ersten Weltkrieg. Die spätere Firma selbst wurde aber zunächst nicht als Paul Drees, sondern als Alfred Drees 1932/33 eingetragen. Bei den bekanntesten Drees Messern, den ADRESSO, steht das "A" demnach für
Alfred, der der Sohn von Paul Drees war. Weiter steht „DRES“ abgekürzt für Drees und das bekannte „SO“ für Solingen – Alfred Drees Solingen. Hier ist ein Bild eines alten Alfred Drees -Adresso- Rasiermessers (noch unrestauriert) mit der Kartonage.
Aber warum gründete Paul Drees seine Firma unter dem Namen seines Sohnes?
Hier hilft es, etwas über die Organisation des Arbeits- und Fabrikwesens in Solingen im 19. und 20. Jahrhundert zu wissen.
In Solingen wurden viele Arbeiten von Heimarbeitern in Ein-Mann-Betrieben ausgeführt. Die Schleifer hatten ihre kleine Werkstatt - in Solingen "Kotten" genannt - mit allen notwendigen Geräten oft im Keller ihrer Häuser oder in Scheunen in der Nachbarschaft. Manchmal teilten sich ein paar einzelne Heimarbeiter eine Werkstatt.
Paul Drees war ein solcher Heimarbeiter. Wie viele andere auch, arbeitete er für verschiedene Firmen als Rasiermesserschleifer. Er holte die Rohlinge bei den Firmen ab, brachte sie in die Werkstatt, schleifte, pliestete und polierte sie und schickte die fertigen Rasiermesser an die Fabriken zurück. Teilweise gehörte auch das Reiden (in die Schalen montieren) und Abziehen dazu. Grundsätzlich wurden diese Tätigkeiten aber von separaten Fachkräften, den Reidern und Abziehern ausgeführt (das war ein eigener Lehrberuf).
Paul Drees entschloss sich um 1932, Rasiermesser (auch) unter seiner eigenen Marke und für seinen eigenen Geldbeutel herzustellen. Da aber der Beginn der Selbstständigkeit immer schwierig ist und am Anfang noch die Arbeit als Heimarbeiter für andere Firmen finanziell erforderlich war und auch, um den guten Ruf nicht zu verlieren, wurde die Firma unter dem Namen seines Sohnes Alfred gegründet. Später wurde der Firmenname dann in Paul Drees geändert.
Im Alter von 14 Jahren begann Werner Breidenbach seine Lehre bei Paul Drees, 1948. Er wuchs in Solingen inmitten von Rasiermesserschleifern auf und schaute bereits als kleiner Junge den Schleifern durch die Fenster der Kotten zu. Viele seiner Familienmitglieder waren ebenfalls Rasiermesserschleifer oder Reider und Abzieher.
Nach dreieinhalb Jahren legte Werner Breidenbach 1951 seine Prüfung als Rasiermesserschleifer bei Fritz Bracht (Dovo) ab (es war schon zu jener Zeit üblich, dass die Prüfung selbst nicht in dem Betrieb abgelegt wurde, in dem man gelernt hatte).
Die Firma Paul Drees schleifte zu dieser Zeit noch Rasiermesser für andere Firmen, stellte aber auch viel in eigenem Namen her.
Nachfolgener Fotoausschnitt zeigt den jungen Werner Breidenbach im Betrieb Drees bei der Arbeit an der Hohlschleifmaschine ca. Mitte der 1950er Jahre:
Markennamen neben Adresso waren Sistrum, Dreifuss und (sehr selten) Sundermann.
Viele Paul Drees-Rasiermesser wurden nach Italien verkauft. Der italienische Markt für Rasiermesser war sehr anspruchsvoll. Italienische Barbiere mochten sehr dünn geschliffene - singende Rasiermesser, die hohe Anforderungen an die Fähigkeiten der Schleifer stellten. Aber dieses hohe Können und die Präsenz auf dem italienischen Markt verhalfen der Firma Paul Drees zu einem längeren Überleben als vielen anderen Rasiermesserherstellern. Ab den späten 1950er Jahren ging der Markt für Rasiermesser im Allgemeinen zurück, Anfang der 1970er Jahre waren die Rasiermesserfirmen nahezu verschwunden. In Solingen konnten zu dieser Zeit nur Rasiermesserfabriken überleben, die nach Italien oder Japan exportierten, da hier das Rasiermesser noch über längere Zeit einen hohen Stellenwert besaß.
Nachdem der letzte Rasiermesserschleifer mit dem Namen Drees verstorben war, übernahm Werner Breidenbach 1982 die Firma. In den 1990er Jahren bot Werner Breidenbach einigen der größeren (ehemaligen) Rasiermesserfirmen in Solingen an, neue Rasiermesserschleifer auszubilden und zu schulen. Doch zu dieser Zeit gab es kein Interesse seitens der Firmen. Später dann, als Rasiermesser wieder populärer wurden, hätten sie dieses Angebot liebend gerne angenommen und fragten bei Werner Breidenbach mehrmals nach. Aber hier war er bereits im Ruhestand und hatte selbst kein Interesse mehr. Zuvor aber wurde ein Film über ihn und seine alte Handwerkskunst des Rasiermesserschleifens in seiner alten Werkstatt von Paul Drees gedreht.
Im Jahr 2003 wurde die Firma Drees endgültig geschlossen und die Geschichte der Paul-Drees-Rasiermesser damit offiziell beendet.
Nicht aber die Geschichte der Werner Breidenbach Rasiermesser.
Im nächsten Jahr feiert Werner Breidenbach seinen 90. Geburtstag! Noch immer ist er für zwei Solinger Rasiermesserfirmen 1-2 Tage in der Woche tätig. Teilweise schleift er neue Messer, teilweise korrigiert er die mangelnden Arbeiten der anderen Schleifer. Und er schleift selbst unter seinem eigenen Namen oder den alten Drees Zeichen.
Es ist immer eine Offenbarung, ihn beim Arbeiten zuzusehen. Rasiermesserschleifen ist für ihn kein Job oder Zeitvertreib, es ist sein Lebensinhalt. Mit welcher Akribie und Hingabe er die einzelnen Schritte auch noch in diesem hohen Alter ausführt, peinlichst genau auf die Qualität der Werkzeuge, Maschinen und deren Einstellung achtet, ist einfach herausragend. Wenn man ihn beim Arbeiten sieht, versteht man, warum Solingen einst das Mekka der Handwerkskunst im Schneidwarenbereich war.
Gut scharf! hatzicho