Forum der Rasur

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Schärfen mit dem Coticule - (k)eine Anleitung

sl

Very Active Member
Schon seit einiger Zeit beobachte ich mit Sorge :proud , dass in diesem Forum das Schärfen mit künstlichen Produkten im Vordergrund steht .

Lapping-film, Gouken-Steine, Baumarkt Quarzit. Dazu das Geraune, Natursteine gehörten nicht in die Hand von Anfängern, das sei eine Sache für Wissende.

Dem wollte ich etwas entgegen stellen - nun erst Recht, seit dem @dirk hier über seine Bekanntschaft mit einem coticule berichtet.

Eine Anleitung, wie zB @Senser sie geschrieben hat, ist das hier nicht. Zum einen, weil ich mir nicht zutraue, allgemein gültig darzustellen, wie man mit einem GBB schärft, zum anderen, weil das wahrscheinlich auch gar nicht funktioniert.

Der GBB (coticule) ist ein Naturstein, d.h. es gibt gar nicht DEN Stein, sondern es gibt viele, viele viele. Und alle haben ihre Eigenheiten, ihre Stärken und Schwächen. Trotzdem lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen und die sind hier sehr schön dargestellt.

Ich möchte nun meinen Weg zeigen, den ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe. Vor ca. 8 Jahren habe ich mit dem Schärfen von RM begonnen. Ich habe mit einem GBB angefangen, es ist der Stein, der in dem 1. Video unten zu sehen ist. Wahrscheinlich ist es ein Hybrid aus der Les Latneuses Schicht. Wurde damals im GRF angeboten und ist für mich die "Mutter aller Steine". Er ist sehr hart, slurry kommt nicht vom Stein selbst sondern nur vom Anreiber, in diesem Falle von einem la petite blanche.

Das Messer wird nach der Ein-Stein-Methode geschärft, d.h. die Facette wird gesetzt, sie wird verfeinert und gefinisht nur auf diesem Stein.


1. Die Facette wird gesetzt

Ich mache den Stein und den Anreiber nass und reibe mir slurry, indem ich mit dem Anreiber über den Schärfstein rubbele, bis eine milchige Flüsigkeit zu sehen ist. Es sollte Flüssigkeit sein, keine Paste oder Creme.

Das Messer lege ich flach auf und schiebe es nach vorn bis zum Ende des Steins, dort ziehe ich es wieder zurück. Der Impuls liegt auf dem Schub, beim Rückzug bleibt das Messer auf dem Stein liegen, so eine Art "Leerfahrt".

Das ganze ca. 30 mal, dann das gleiche mit der anderen Klingenseite, das ist dann eine Serie. Ich mache gerade, versetzte Schübe und keine "X-strokes". Ich kann nicht wissenschafftlich begründen warum, ich persönlich mache es , weil ich das Messer und seine Bewegung so besser kontrollieren kann. Außerdem kann ich die einzelnen Abschnitte der Klinge besser und genauer bearbeiten.

Nach ca. 4- 5 derartiger Serien prüfe ich mit dem Finger die dem Stein abgewandte Klingeseite, indem ich den Finger vom Rücken bis zur Facette gleiten lasse. Spüre ich mit dem Finger an der Facette einen "Bart" und zwar auf der gesamten Klingenlänge, weiß ich, dass ich auf der Seite "durch" bin, also die Facette erneuert habe.

Ich drehe das Messer, mache dort noch 30 Schübe und teste ebenso die steinabgewandte Klingenseite. Auch dort sollte nun der Bart zu fühlen sein. Ist das nicht der Fall, mache ich weitere 2-3 Serien und teste erneut.

Nachdem also auf beiden Klingenseiten der Bart gefühlt werden konnte, muss dieser nun durch Wechselschübe entfernt werden. Vorher "melke" ich frische slurry wie oben beschrieben.

Jetzt also die Wechselschübe. Ich lege das Messer flach auf, schiebe bis zum anderen Ende des Steins, drehe über den Rücken und schiebe wieder zurück,erneut Drehung über den Rücken und schieben....usw. Bei mir verlässt also die Klinge während der Schübe nicht den Stein.

Ich habe etliche YT-Filmchen gesehen, wo das Messer nach dem Ende einer Bahn hochgehoben und in Gegenrichtung neu aufgelegt wird. Das mag machen, wer möchte und wer es beherrscht, ich jedenfalls nicht. Ich hätte die Befürchtung, dass gerade bei etwas höherer Arbeitsgeschwindigkeit am Ende einer Bahn beim Hochheben zuerst der Rücken angehoben wird, bevor der Rest der Klinge folgt und auf diese Art ein ganz famoser 2. Winkel an die Facette dran kommt, den ich nicht brauchen kann. Ich möchte aber an dieser Stelle nicht in Abrede stellen, dass die Leute, die so verfahren, den Bewegungsablauf korrekt ausführen und ihre Messer scharf bekommen.

Noch eine Sache zum Druck auf das Messer: Ich übe gerade soviel Druck aus, wie nötig ist, um das Messer ordentlich auf Kurs zu halten, die "Arbeit", also das Schärfen erledigt der Stein und die slurry. Das sagt nun alles und nichts.

Ich hab mal einem Bekannten das Schärfen gezeigt und habe ihm das selbe gesagt. Danach war er dran mit Schärfen und mit einem Mal hatte er ein seeliges Lächeln im Gesicht. Er wisse jetzt, was ich gemeint habe mit, "die Arbeit erlegt der Stein" , er habe es deutlich gespürt. So ist es, man spürt das, deswegen kann ich mir weitere 1000 Worte dazu sparen.

Ich mache also meine Wechselschübe. Auch hier arbeite ich aus den oben genannten Gründen mit geraden, versetzten Schüben, jedenfalls überwiegend.

Zunächst kann man beobachten, wie die slurry von der Klinge weggeschoben wird, klar, da ist ja noch dieser Bart vorne dran. Nach und nach verschwindet er, und man kann sehen, wie die slurry auf das Messer hinauf läuft "slurry-undercut", die Klinge schneidet also unter der slurry durch. Ein gutes Zeichen!

Je deutlicher das zu erkennen ist, desto froher werde ich, denn es zeigt mir, dass der Bart weg ist und meine Facette "steht".

Ich schiebe also noch ein wenig hin und her, freue mich, und entscheide, dass es nun gut ist. Also Messer abwischen, den letzten Dreck mit paar Handballenabzügen beseitigen und die Haare vom Arm schneiden. Geht das? Geht das an jeder Stelle der Klinge? Gut! Facette ist fertig gesetzt. Geht noch nicht, oder nicht überall? Weiter mit Wechselschüben, bis es geht!

Nicht eher aufhören, bis es geht!


Bitte nicht fuddeln und denken, naja, wird schon werden...Nein, was jetzt nicht ist, wird nicht mehr werden! Jetzt! wird die Facette gesetzt, danach wird sie nur noch verfeinert. Was jetzt also nicht ist, das kommt später nicht!

Nun ist also die facette gesetzt. Ich muss an dieser Stelle einräumen: Bei Messern mit stark verbrauchter Facette (kleine Ausbrüche, Rostpickelchen...) mache ich diese Arbeit mit einem 800`er Naniwa SS. Nicht, weil es mit einem GBB nicht ginge, aber mir ist das Material zu kostbar. NSS gibts (so oder anders) immer und immer und immer, der GBB ist einzig.


2. Facette verfeinern

Hier beginnt nun das eigentliche "Hauptstück", das, wofür die coticule (mit Recht) so gerühmt werden: Die Reise von der frisch gesetzten Facette hin zum rasurfertigen Messer und das auf ein und dem selben Stein mit allein ein wenig Wasser und slurry als Treibstoff.

Es ist immer auch eine Reise ins Ungewisse, denn unterwegs kann man nicht anhalten und auf die Straßenkarte gucken, ob der Weg noch stimmt, ob man ans Ziel kommt. Das Ziel erreicht man -oder man erreicht es nicht. Man erreicht es! (Jedenfalls meistens).

Auf geht`s! Slurry melken, Wechselschübe. Erstmal wird die Klinge die slurry wieder vor sich herschieben, dann wird allmählich die slurry aufs Messer hinauf fluten. Wenn ich das sehe, freue ich mich und gebe ein Tröpfchen Wasser hinzu, auf den Stein.

Weiter mit Wechselschüben, slurry angucken, flutet sie schön über die Klinge? Überall? Wieder Tröpfchen Wasser dazu...

So geht das eine gute Weile. Anfangs hab ich es so gemacht: Nach 40 Schüben 1 Tropfen Wasser, bis schließlich die slurry komplett aus Wasser besteht.

Inzwischen zähle ich nicht mehr, gucke mir die slurry an, freue mich, wie sie über das Messer flutet, mache hin und wieder einen Tropfen Wasser dazu und sehe, wie meine milchige Substanz grau wird (vom Stahl) und sich immer mehr zersetzt, bis sie eine beinahe ölige Textur hat von hellgrauer, fast durchsichtiger Farbe.

Wenn ich alle 40 Schübe einen Tropfen Wasser zugebe, komme ich da auch hin. Und wenn ich da bin, schiebe ich die slurry (also das, was mal die slurry war) mit dem Messer runter vom Stein, gebe Wasser drauf und mache nochmal 40 - 60 Schübe. Und dann kommt


3. Das Finish!

Die Reise ist bald zu Ende, es geht nun darum, die verfeinerte facette richtig schön zu machen.

Also wasche ich Messer und Stein zunächst einmal sorgfältig mit frischem Wasser ab. Nun mache ich auf dem puren, nassen Stein etwa 80 - 100 Wechselschübe.

Wenn der Stein eher weich ist und hierbei von selbst slurry bildet (sog. autoslurry), breche ich damit ab, sobald er slurry bildet, ansonsten eben nach ca. 80 - 100 Schüben.

Bei einem weichen Stein drehe ich nun die Wasserleitung auf, halte den Stein darunter und mache unter dem laufenden Wasserhahn nochmals ca. 60-80 Schübe.

Ist der Stein hart (wie zB mein Hybrid) wische ich ihn mit Wasser ab, gebe einen Tropfen Spülmittel drauf und mache ebenfalls ca 60 - 80 Schübe, 100 schaden auch nicht.

Jetzt kann ich erstmals testen, wie die Reise war und wo mein Messer angekommen ist. Ich mache es gut sauber, mache paar Handballenabzüge (oder Oberschenkel/Jeans-Abzüge) um den Micro-Dreck von der Facette zu kriegen und versuche einen Haartest.

Wenn jetzt die "Violine" kommt, ist das schon mal nicht schlecht. Wird das Harr sogar durchtrennt, ist das spitze.

Wohl´gemerkt, direkt nach dem Stein, noch vor dem Ledern. Ich sehe zu, dass ich das Haar durchtrenne kann, erst danach gehe ich auf Leinen - ca. 60 Mal (1 Mal = hin und zurück) und 100 Mal Leder. Danach sollte der Haartest geschmeidig über die gesamte Klingenlänge funktionieren.

Ich lege das Messer nun beiseite und warte 1 Tag. Dann ledere ich erneut ca. 30 Mal und danach kommt die Proberasur. Das ist aber bestimmt nur Aberglaube, sicher kann man auch sofort nach dem Schärfen rasieren.

So, das wars! Eins noch zum Abschluss: Kann sein, dass es beim ersten mal nicht funktioniert, vlt. auch nicht beim 2., 3. oder 4. Mal. Aber es hat niemand gesagt, dass es einfach ist.

Es hat auch niemand gesagt, dass die Messerrasur einfach ist. Wenn man es einfach haben möchte, kann man den Gillette-Fusion nehmen oder wie der nun heißt. Möchte man etwas können, muss man er lernen, das Fahrradfahren, das Schwimmen, das Rasieren mit dem Messer und das Schärfen eines Messers - egal mit welchem Stein!

Und als Allerletztes

Das Video:

Meine sehr vereehrten Damen und Herren. Aus technischen Gründen entfällt die an dieser Stelle vorgesehene Austrahlung der Sendung "Schärfen mit einem coticule-hybrid". Diese wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Wir bitten das zu entschuldigen.

Statt dessen wird die Sendung "Einstein-Schärfen mit einem neuen coticule extra-extra Grösse 10" ausgestrahlt.

Wir wünschen gute Unterhaltung!


 
Sehr schöne Anleitung @sl daumenh!

Bei mir sieht das Schärfen auf einem GBB ähnlich aus, nur das ich anfänglich mit etwas Druck arbeite und diesen dann nach dem die Facette gesetzt ist mit jeder Verdünnung des slurrys reduziere. Dadurch entsteht ein 2. Winkel quasi von selbst. Hatte bastlwastl seinerzeit so erklärt und ich habe es halt übernommen.

War auch eine ganze Zeit meine bevorzugte Schärfmethode, bis ich deinen Ohzoku übernommen habe und von Kimeter passende Naguras bekommen habe. :D
 
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Super (keine)Anleitung;) Sehr schön geschrieben. daumenh!

Mir fiel da noch ein, dass BastlWastl (koch-mal-scharf) auch mal ein schönes kurzes Video gedreht hat, wie man auf einem schnellen Belgier (die meisten heute zu beziehbaren Steine dürften eher schnell mit Autoslurry sein) in knapp unter 5 Minuten ein Rasiermesser von Stumpf auf Rasurschärfe bring. Und bevor ich das irgendwann nicht mehr wiederfinde, poste ich es mal hier besser:

 
Zuletzt bearbeitet:
bis ich deinen Ohzoku übernommen habe und von Kimeter passende Naguras bekommen habe
Ach ja, stimmt, du warst das! Mal Hand aufs Herz: Bekommst du damit bessere Ergebnisse als mit deinem (besten) GBB?
anfänglich mit etwas Druck arbeite und diesen dann nach dem die Facette gesetzt ist mit jeder Verdünnung des slurrys reduziere
Das ist noch eine weitere Stellschraube, an der man drehen kann..
 
Ach ja, stimmt, du warst das! Mal Hand aufs Herz: Bekommst du damit bessere Ergebnisse als mit deinem (besten) GBB?

Andere! Ob sie besser sind liegt immer an meiner persönlichen Vorliebe und die verändert sich im Laufe der Zeit immer mal.

Aber der Durchbruch waren die verschiedenen Naguras, besonders der Nakayama zum Schluss. Der Ohzoku alleine konnte damals auch nicht meinen Belgier ausboten.
 
Grossartige Anleitung! Nur ein Problem habe ich damit.....jetzt will ich auch einen GBB:rolleyes::essen1

Ich glaube das geht jedem, der ein Messer rumliegen hat, jetzt so! Eine gute Quelle und ein paar Worte zu evtl. verschiedenen Qualitäten und worauf man achten sollte wären gut, wenn das nicht eh schon irgendwo geschehen ist.
 
Grossartige Anleitung! Nur ein Problem habe ich damit.....jetzt will ich auch einen GBB:rolleyes::essen1

Ich glaube das geht jedem, der ein Messer rumliegen hat, jetzt so! Eine gute Quelle und ein paar Worte zu evtl. verschiedenen Qualitäten und worauf man achten sollte wären gut, wenn das nicht eh schon irgendwo geschehen ist.

Hier: https://remos-shop.at/Belgische-Brocken-Rasiermesser-schleifen-Messer-Abziehen_4 habe ich meinen gekauft (der in dem Video zu sehen ist), vor ca. 2 Jahren hab ich dort auch einen extra-extra Größe 7 gekauft. Es handelt sich um Steine aus neuer, aktueller Produktion, die Qualität ist sehr gut. Der Stein ist eher zügig (was ja kein Nachteil ist) und auf jeden Fall rasiermessertauglich. Der shop ist absolut vertrauenwürdig, versendet ruck zuck und, wenn ich mich recht entsinne, ohne Versandkosten. Ich würde die Größe 10 empfehlen, jedenfalls zu Anfang. Es gibt Qualität extra und extra- extra, angeblich soll der Unterschied allein in der Optik liegen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich mir extra-extra gekauft habe. Das würde ich auch empfehlen, der Preisunterschied ist so gering, da würde ich keine Experimente machen...
 
Idee: Ich könnte im neuen Jahr den GBB aus dem Video (also den extra-extra Grösse 10) in den pass around geben, belgisch für Anfänger sozusagen. Dann müssten nicht alle 60 EUR auf den Kopp hauen und dann feststellen, dass das doch nicht für sie taugt. Kaufen könnt ihr dann ja immer noch. Interesse?
 
Angeregt durch diesen Thread habe ich vorhin mein Belgisches Bröckchen hervorgekramt. Er müßte in Größe 6 sein, gekauft habe ich ihn offline in einem Fachgeschäft für Schreinerbedarf:

15455026374810.jpg


Er ist echt winzig.
Die Klinge passt gerade so diagonal drauf.

Habe vorhin ein eigentlich funktionierendes Messer erst mit Slurry bearbeitet bis es "stumpf" wurde, danach immer weiter verdünnt, schließlich mit klarem Wasser fertiggestellt. Der Armhaartest (HHT funktioniert bei mir nicht zuverlässig) fühlt sich vielversprechend an. Gleich folgt die Testrasur, wir werden sehen.

Durch die "Größe" des Steinchens konnte ich keine linearen Züge schieben, ich mußte in kleinen Kreisbewegungen vorgehen. Trotzdem wurde das Messer schnell scharf.
 
Testrasur sehr erfolgreich absolviert.

So ein sanftes Messer hab ich noch nie hinbekommen. Und meine anderen Messer sind schon nicht rupfig.
Ich brauch nen GBB. Jetzt. :cool:

Morgen werd ich mal zwei, drei andere Messer darauf kreisen lassen. Schieben geht ja nicht... ;)
 
Ich habe vorhin ebenfalls durch diesen Faden angeregt einen Wiener Schaber auf einem Belgier nach Anleitung geschärft. War mal etwas anderes, als wie üblich die Naniwas zu benutzen. Allerdings mögen meine Hände den Schleifschlamm nicht wirklich.
Aber was tut man nicht alles für scharfe Rasiermesser....ob es sich gelohnt hat, werde ich allerdings erst nach Weihnachten erfahren (da kommt der Progress zum Einsatz) - der HHT war nach dem Ledern leider nicht wirklich überzeugend.
 
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