Da hast Du aber Glück gehabt, man kann das auch als rückständig oder nerdig einstufen.
Ehrlich gesagt ist mir das völlig Schnuppe. Ich rasiere mich für mich, nicht für andere. Ich posaune nicht überall herum, dass ich mich noch mit dem Urahnen des Systemrasierers - letztlich war der erste Sicherheitsrasierer von Gillette nichts anderes als ein System, bei dem der Hersteller nicht nur auf seinen Apparat, sondern auch auf die dazu benötigten Klingen ein Patent, und damit auch ein Monopol innehatte - rasiere, und fremde Leute, die mir beim Rasieren über die Schulter schauen bzw. mehr oder minder sinnfreie Kommentare dazu absondern, gibt es auch nicht. Dass mit der Gesichtsrasur ist für 99,99 % der männlichen Menschheit und 100 % ihres weiblichen Gegenstücks ein viel zu unwichtiges Thema, als dass es darüber überhaupt irgendwelche Gespräche gäbe.
Das einzige "Gespräch" über Rasur ergab sich vor ein paar Monaten mit einigen Arbeitskollegen. Der Hintergrund ist der, dass wir alle Atemschutzgeräteträger sind und glatt rasiert sein müssen, damit im Einsatzfall die Schutzmaske dicht sitzt. Einige jüngere, neue Kollegen nahmen das mit der Rasur eher lässig und liefen teils mit Vollbärten, teils mit Stoppeln bis zu einer Woche herum. Da ich bei unserer Truppe für die Ausbildung zum Atemschutzgeräteträger zuständig bin, habe ich ggü. den unrasierten Kollegen klar und deutlich gesagt, dass sie glatt rasiert zum Dienst zu erscheinen haben. Bei einigen half das, bei anderen nicht. Also schrieb ich in Abstimmung mit der Geschäftsleitung eine Dienstanweisung, dass bei Dienstantritt ein maskentauglicher Zustand gegeben sein muss. Wer unzureichend rasiert ist, bekommt vor Ort das Angebot, sich mit Einwegrasierer und Dosenschaum zu rasieren, bekommt die Zeit im Waschraum aber vom Lohn abgezogen. Wer sich weigert, darf im Ernstfall nicht mit zum Einsatz genommen werden, bekommt für die gesamte Schicht deshalb auch nur halben Lohn. Im Wiederholungsfall wird der nicht einsatzbereite Kollege ohne Lohn nach Hause geschickt und erhält eine Abmahnung. Nachdem ich das zweimal durchgezogen habe, wissen jetzt alle, dass ich keinen Spaß verstehe, wenn es um das Thema Rasur (= Einsatzbereitschaft) geht. Allerdings geht es mir nicht, ihr habt es vermutlich schon geahnt, nicht um die Rasur um ihrer selbst willen, sondern um eine Maßnahme zum Erhalt der Einsatzfähigkeit auf der Grundlage entsprechender Regelungen zur Arbeitssicherheit durch die Berufsgenossenschaft. Mir ist es in dem Zusammenhang vollkommen egal, ob die Kollegen sich nass, trocken, mit System, Hobel, Messer, Elektrobrummer, Schleifpapier oder Schweißbrenner die Gesichtsbehaarung entfernen, und genau so habe ich ihnen das auch gesagt. Die meisten, so habe ich inzwischen herausgehört, rasieren sich mit Systemen von Gillette, wobei wohl so ziemlich alle Spielarten des Fusion vertreten sind. Ein einziger Kollege ist dabei, der klassisch Hobel, Klinge, Rasiercreme und Pinsel nutzt, aber ein Gespräch darüber hatte ich noch nicht, und von meiner Seite wird es initial auch kein solches geben. Ich behalte mein "Nerd-Sein" für mich und gehe damit nicht missionieren.