Forum der Rasur

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Koraat

Hersteller/Händler
Hallo,

ich habe mir den Spaß gemacht und habe alle Schliffe die wir derzeit anfertigen können nebeneinander als Vergleich aufgereiht.
Das entspricht natürlich nur unserer Art die Schliffe herzustellen. Bei anderen Herstellern fallen die Bezeichnungen vielleicht anders aus.
Vielleicht hilft es trotzdem dem ein oder anderen die Hohlung seiner Rasiermesser einzuordnen.
Die schematischen Darstellungen, die man im Netz findet, gehen meiner Meinung nach oft stark an der Realität vorbei.

alleschliffe3.jpg


Da in einem anderen Forum die Frage aufgekommen ist wie die komplexen Schliffe hergestellt werden, habe ich eine kleine Skizze gemacht.

Die Kreise sind die Kontakträder/Schleifsteine (je nach verwendeter Schlifftechnik)

schliffklein.jpg


schliffdetail.jpg


Und hier noch ein paar Worte zum Wall:

Zuerst einmal ist es wichtig sich klar zu machen wie ein Rasiermesser geschliffen wird. Und zwar erfolgt der Schliff bei allen modernen Rasiermessern mit runden Schleifkörpern (Steine oder Kontakträder am Bandschleifer) quer zur Klinge.
Das heißt jeder Schliff ist immer ein Segment eines Kreises.
Bei uns ist das bei einem derben Schliff ein Kreis mit 200mm Durchmesser, bei 1/4 hohl 150mm und bei 1/2 hohl 100mm.
Je nach Verhältnis von Rückendicke zu Klingenbreite, gibt es einen minimalen Schleifkörperdurchmesser mit dem man die Klinge schleifen kann. Bei diesem Minimaldurchmesser läuft der Schliff an der Schneide tangential aus. Ist also an der Schneide quasi paralell. Reduziert man den Schleifkörperdurchmesser weiter erreicht man die Schneide nicht mehr, da man zuvor schon weiter oben durch die Klinge hindurchschleift.
Es gibt also eine Grenze für die Hohlung mit nur einem Schliff.

Um ein noch hohleres (vollhohles) Messer zu erzeugen, braucht es also mindestens 2 Schliffe. Einen der bis zur Schneide durchläuft und einen mit kleinerem Durchmesser der nicht bis zur Schneide geht.
Zwischen diesen beiden Schliffen gibt es eine Überschneidung und das ist der Wall. Er ergibt sich also ganz von alleine wenn man ein vollhohles Messer schleift.
Dieser Wall wird dann mal mehr, mal weniger verschliffen und ist daher manchmal sehr stark und manchmal nur schwach ausgeprägt und kaum erkennbar. Es ist aber fast immer einer vorhanden. Fälle wo er gänzlich entfernt wird sind sehr selten.
Das hat auch einen einfachen Grund. Ihn zu reduzieren bringt nämlich nicht wirklich etwas, ist aber viel Arbeit.
Entscheidend für die Rasureigenschaften sind nämlich fast ausschließlich die beiden dünnsten Punkte der Klinge, die Seele in der Mitte der Hohlung und die Schneide selbst, bzw. die letzten 2-3mm zur Schneide hin. Die Dicke des Walls dazwischen hat kaum Einfluss. Erst wenn er gänzlich entfernt wird und die Klinge durchgehend ab der Seele hauchdünn bis zur Schneide verläuft ändert sich das Verhalten der Klinge radikal. Sie wird dann extrem flexibel, was aber soweit geht, dass man ein solches Messer nur noch schwer schärfen und abziehen kann. Auch die Rasureigenschaften sind besonders gegen den Strich schlechter.

Hier ein Foto der entscheidenden Punkte:

5b.jpg


Ein Messer mit Wall ist also im Grunde ein ganz normales vollhohles Messer und es ist in der Tat so, dass er die Klinge stabilisiert.
Ich persönlich bevorzuge einen sehr ausgeprägten Wall mit sehr dünn geschliffener Seele und Schneide. Andere Hersteller reduzieren den Wall viel stärker und schleifen die Klinge zur Schneide hin eher konvex als konkav (durch sogenanntes Pließten), welcher Schliff einem eher liegt ist Geschmackssache.

Hier eine Skizze die beide vollhohle Varianten zeigt:

schliffe.jpg


Beide Varianten haben einen Wall, nur ist der eine nur sehr schwach sichtbar.

mfg
Ulrik


In Abstimmung mit Ulrik hierhin Verschoben, weil das einfach "Messerkunde" in Reinstform ist.
VG
Hellas
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Kannst du ggf. noch etwas dazu sagen, ob es verschiedene Einsatzzwecke der Schliffe gibt? Oder ist das reine Geschmackssache?

Gruß Tim
 
Hallo Tim,

es hängt sehr stark vom persönlichen Geschmack ab, aber natürlich gibt es auch ein paar Grundregeln:

-je derber desto leichter und widerstandsloser gleitet die Klinge durch die Haare. Das ist insbesondere bei sehr dicken oder harten Barthaaren bzw. extrem dichtem Bartwuchs hilfreich. Allerdings ist die starre und schwere Klinge auch "kompromisslos" und verursacht bei empfindlicher Haut mitunter etwas mehr Reizungen.

-je dünner die Klinge zur Schneide hin ist, desto flexibler wird sie und das ist hautschonend. Wenn die Klinge aber extrem dünn wird kann sie mitunter bei sehr starkem Bart insbesondere gegen den Strich etwas "rupfen" da die Schneide den Barthaaren durch die Flexibilität ausweichen kann. Dieser Effekt tritt besonders stark auf, wenn die Klinge nicht mehr ganz optimal scharf ist.

Man kann also sagen, dass bei gleicher Schärfe ein derbes Messer während der Rasur mitunter sanfter ist, nach der Rasur aber mitunter mehr Reizungen zurückbleiben.
Umgekehrt kann bei einem extrem hohlen Messer die Rasur etwas unsanft wirken, dafür ist die Haut nach der Rasur kaum strapaziert.
Das sind aber die Extrembeispiele, die meisten kommen mit allen Schliffen gut zurecht.

Wichtig ist dann auch noch der Schliffwinkel. Je niedriger der ist, desto leichter gleitet die Klinge durch die Haare, umso aggressiver ist die Klinge aber auch zur Haut. Ein hoher Winkel schont die Haut, kann aber wiederum ab einer gewissen Grenze zum "Rupfen" führen.

Hier eine Grafik die den Einfluss des Winkels schematisch darstellt:

winkel.jpg


mfg
Ulrik
 
Hallo Ulrik,

Danke für die Erklärung.

Man kann also sagen, dass bei gleicher Schärfe ein derbes Messer während der Rasur mitunter sanfter ist, nach der Rasur aber mitunter mehr Reizungen zurückbleiben.
Umgekehrt kann bei einem extrem hohlen Messer die Rasur etwas unsanft wirken, dafür ist die Haut nach der Rasur kaum strapaziert.
Das sind aber die Extrembeispiele, die meisten kommen mit allen Schliffen gut zurecht

Genau das habe ich beim Vergleich vollhohles RM und Wechselklingenmesser. Das Rasiermesser rupft stellenweise, vor allem gegen den Strich, dafür gibt es keine Hautreizungen. Beim Wechselklingenmesser, genau andersrum. Aber mit 9 Monaten Erfahrung, bin ich selbst auch noch ein großer Faktor :rolleyes:.

Gruß Tim
 
Dank Ulrik für diese tolle Erklärung, darf hier nicht fehlen! :daumenhoch
 
@Koraat

geniale Beschreibung! Das hilft wirklich für ein besseres Verständnis!

Wie bekommst Du die Fotos von Vorne (Hohlung der Rasiermesser, ganz oben) so gut hin? Welche Ständerfunktion benutzt Du dafür, damit das Messer nicht umfällt?
 
@Koraat

geniale Beschreibung! Das hilft wirklich für ein besseres Verständnis!

Wie bekommst Du die Fotos von Vorne (Hohlung der Rasiermesser, ganz oben) so gut hin? Welche Ständerfunktion benutzt Du dafür, damit das Messer nicht umfällt?

Es freut mich, wenn es hilft!
Ich benutze aber keinerlei Ständer, die Messer stehen von alleine ;-)
Und auch sonst nutze ich einfach den Autofokus meiner Kamera (Canon Powershot SX280HS), es braucht nur genug Ausleuchtung und eine ruhige Hand.

mfg
Ulrik
 
Super Beitrag Koraat :daumenhoch
Hier noch als Ergänzung die alte "Henkel Scala" Da hat man tatsächlich 16 verschiedene Hohlungen definiert.

Gruß Senser

Danke dir für die Ergänzung. Diese Skala geht wirklich sehr weit bis hin zu extrem hohlen Schliffen.
Allerdings sieht man auch bei alten Klingen sehr selten Hohlungsgrade über Stufe 9-10. Man muss sich immer vor Augen halten, dass für so extreme Hohlungen eine sehr große Zahl an verschiedenen, immer kleiner werdenden, Schleifsteinen benutzt werden muss. Bei Stufe 14 wahrscheinlich mit Enddurchmessern von nur 2-3cm. Um so etwas zu realisieren braucht es entweder sehr viele Hohlschleifmaschinen die alle mit verschiedenen Durchmessern gerüstet sind oder man muss extrem Zeitaufwändig ständig den Durchmesser wechseln. Daher wurde soetwas sehr selten produziert und ist heute im Grunde gar nicht mehr zu finden.
Für mich wäre es freihand geschliffen sicher eine spannende Herausforderung, es ist allerdings technisch mit den winzigen Kontaktraddurchmessern sehr schwer umzusetzen.

mfg
Ulrik
 
Die Henkels-Skala ist schon sehr umfassend. Die Firma Henkels war schließlich auch seinerzeit einer der weltweit größten Lieferanten für Rasiermesser (neben den üblichen Verdächtigen), und hat neben der eigenen Rasiermesserproduktion auch eine Menge klassischer Solingen "Heimarbeiter" beschäftigt, die für Sie Rasiermesser jeglicher Art gefertigt haben.
Aber es gab noch eine andere Art die Hohlung der Rasiermesser zu bestimmen, bzw vorzugeben:

Wenn früher die Firma Henkels Rasiermesser für italienische Großkunden in unserem Hause in Auftrag gegeben hat, wurden den gelieferten Rohlingen eine markierte Stimmgabel beigelegt, die dem Schleifer vorgab welchen Ton das Rasiermesser beim "klingen lassen" abgeben musste.
Das ist gar nicht so einfach, da sich die Tonlage während der Bearbeitung auf den verschiedenen Schleifmaschienen (Hohlschleifmaschine, Pliestbock bis hin zuden Poliervorgängen) stetig noch verändert, und man diese Veränderung bereits beim Hohlschleifen mit einkalkulieren musste. Das war eine Aufgabe für die erfahrensten Schleifer und wurde besonders gut entlohnt.
Diese Rasiermesser ließ man hauptsächlich ausser Haus fertigen, da der Schleifer Ruhe brauchte um bei ständiger Prüfung das gewünschte Resultat zu erzielen.
 
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