Noch ein bisschen zu No-Poo:
Es ist möglich, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, wo die Haare nicht mehr fettiger werden. Ich hatte das Gefühl, dass bei mir nach 2 Wochen nicht mehr viel kam -- aber es war ja auch nichts mehr, was noch "eingefettet" hätte werden können, denn das schulterlange Haar war bis in die Spitzen fettig, trotz minimalem Bürsten. Viele Shampoo-Verächter bürsten ihre Haare viel, um das Fett in die Längen der Haare zu bringen. Mir ist dabei Folgendes aufgefallen: Nicht wenige Frauen, die No-Poo machen, haben gefärbte/blondierte Haare. Das dürfte auch auf diese Schauspielerin zutreffen, die das propagiert. Gefärbtes und noch mehr blondiertes Haar ist so trocken, dass es viel natürliches Fett, das von der Kopfhaut runter gebürstet wird, aufnehmen kann. Wieder andere gehören zu der Fraktion, die sehr lange Haare haben und ihre Haare nie schneiden lassen. Solche Haare sind auch oft sehr trocken. Waschen allein mit Wasser, was die meisten dieser Frauen (ich kenne gegenwärtig keinen Mann, der sowas macht) es machen, spült auch ein wenig Fett heraus, so dass es tatsächlich möglich ist, dass manche Frauen über Jahre ohne Shampoo oder andere Tenside auskommen und trotzdem schönes Haar haben.
Aber der Schuss kann auch nach hinten losgehen. Eine Variante, sich das Haar nicht mit Shampoo zu waschen, die aber allgemein nicht zu No-Poo gezählt wird, ist "Co-Washing". Dies bedeutet, dass das Haar statt mit Shampoo mit Conditioner (Pflegespülung) gewaschen wird. Besonders beliebt ist es bei Frauen mit lockigem Haar, da diese mit Shampoo oft nicht zurecht kommen. Ein Conditioner, der explizit für das Co-Washing angeboten wurde, war Wen. Der Hersteller von Wen musste am Ende mehreren Frauen Schadensersatz zahlen, da ihnen die Haare ausgefallen waren. Dies war zwar nicht auf die Inhaltsstoffe von Wen zurückzuführen, wohl aber auf den Verzicht von Shampoo. Auf der Kopfhaut sitzen Bakterien (wie überall auf der Haut), und wenn nie mit Tensiden gewaschen und stattdessen immer nur eine Art Creme draufgeschmiert wird, können diese sich so sehr vermehren, dass es zu Infektionen führt, und die wiederum zum Absterben von Follikeln und Haarausfall.
Gegenwärtig wird ein ähnliches Produkt wie Wen aggressiv im Internet vermarktet. Es heißt New Wash, ist schweineteuer und wird von einer Firma namens Hairstory vermarktet. Es besteht überwiegend aus Aloe-Vera-Saft. Ich bezweifle, dass viele Leute damit glücklich werden, denn es ist nun einmal so, dass die Mehrheit einen trockenen, "fluffigen" Look bevorzugt. Auch bei Männern ist dieser mittlerweile die Norm. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts haben Männer geschmiert, was das Zeug hielt, auch mein Großvater war ein Fan von Brisk-Pomade. Dann kamen die 1960er. Kennedy brachte es in Mode, als Mann ohne Hut auf die Straße zu gehen, und die Beatles trugen wesentlich dazu bei, den trockenen Haarlook populär zu machen.
Mein erster Partner war allerdings jemand, der irgendwann auf den "Ich wasch mir nicht mehr die Haare"-Zug sprang. Ich sagte damals: "Man muss sich nicht jeden Tag die Haare waschen, aber spätestens, wenn es juckt, sollte man es tun." Er meinte allerdings: "Das Jucken hört nach ein paar Jahren auf." Trotzdem fand ich es eklig und irgendwann hatte ich ihn überzeugt, dass der George Raft-Look tot ist.