Das Schörfen einer Mikroton-Klinge
oder
…manchmal kommt es anders, als man denkt …
Als ich die Verkaufsanzeige auf einer der bekannten Verkaufsplattformen las, wollte ich mein Glück nicht fassen, dass ich tatsächlich die Chance habe, eines dieser kuriosen Rasiermesser zu erstehen. Also nahm ich umgehend mit dem Verkäufer Kontakt auf und ich hatte tatsächlich Glück: Nach dem unumgänglichen Schritt des Geldloswerdens war das Messer unterwegs zu mir. Als ich es dann in Händen hielt, war die Freude allerdings aufgrund der beschädigten Klinge doch etwas betrübt. Dadurch, dass das Heft verbogen war, schrammte die Klinge im vorderen Teil unschön über eine der metallenen Heftseiten. Ich war mir allerdings sicher, dass ich diese quasi umgebördelte Schneidkante im Zuge der ersten Steinzeit wieder hinbekomme. Eine Kontrolle der Schneidkante unter dem Mikro zeigte, dass der Schaden schlimmer aussieht, als er tatsächlich ist, und ich selbigen beim Setzen der Facette egalisieren kann.
Mein Vorhaben stand von Anfang an fest: Dieses Messer ist zum Rasieren da und aufgrund der Klingengeometrie plante ich ein Vorgehen, wie ich es aus meiner Lehr- und Gesellenzeit als Bau- und Möbeltischler kenne. Da es meine erste Mikrotomklinge ist, dachte ich: „Sieht ja im Grunde nicht anders aus als eine Hobelklinge/Hobeleisen (…natürlich von einem Hobel zur Holzbearbeitung). Davon hast Du genug scharf bekommen, so schwer oder sehr viel anders wird da diese Klinge auch nicht sein …“ Da es ja keine Vorgehensweise im herkömmlichen Sinne geben wird, orientierte ich mich an meinen Erfahrungen mit den Hobeleisen, also zuerst die Fase (auf der Seite mit der Hohlung) bearbeiten und dann so alle 10–12 Schübe für 2–3 Schübe auf die Spiegelseite (die geplante, gerade Seite), um einem Grat entgegenzuwirken. Das Ganze bis zum Finish ohne Abkleben, da ja ein Tape (komplett) nicht nur die Seite und somit den Winkel der Fasenseite anhebt, sondern dann auch die Spiegelseite, was sich dann aber kontraproduktiv auswirken würde. Hier wußte ich aber noch nicht, was da auf mich zukommt
Die geplante Progression (zumindest die erste …)
- Ohne Tape
- SHAPTON Glass & Pro 1K — Setzen der Facette
- SHAPTON Glass 4 & 8 k —> verfeinern bis zum HT
- Nakayama Asagi —> Finish
- Jeweilig ab dem 4K mit Zwischenledern auf dem QUERCUR Shell Cordovan (der Spanier).
Die Klinge hatte neben den angesprochenen Beschädigungen auch ein dezentes Lächeln. Darin sah ich aber nicht das Problem. Die ersten Schübe erfolgten und ich war schon nach gut 3 Sätzen sehr erstaunt, welcher Abrieb sich da zeigte. Es folgten so auch die ersten Schübe auf der Spiegelseite und da zeigte sich recht klar und deutlich, dass bei diesem Messer gerade nicht gerade ist und Planheit neu definiert werden muss. Die Spiegelseite war alles andere als plan und glatt … also erst einmal diese Sache angehen, denn von der Planheit hing letztendlich auch die Schärfe der Klinge ab. Die Arbeit zeigte auch Wirkung auf der Klinge, vor allem aber auch auf den Steinen … Ich habe noch nie so schnell so schwarze Steine bekommen. Hier zeigte sich sehr deutlich, dass die Klinge aus einem ganz anderen Stahl gemacht ist, als wir es von herkömmlichen Rasiermessern gewohnt sind. Dadurch, dass das Messer in seiner ursprünglichen Verwendung in der Medizin auch sterilisiert werden musste, konnte man keinen herkömmlichen Kohlenstoffstahl verwenden. Dies hat u. a. mit den Temperaturen beim Sterilisationsvorgang (bis zu 180°C und mehr) zu tun. Immer wieder überprüfte ich den Fortschritt meiner Schärfarbeit unterm Mikro und stellte dabei fest, dass zwar die Facette mit jedem Stein besser poliert war, aber die Wate doch grob und „ausgefranst“ blieb. Dies führte ich letztlich auf die noch nicht völlig plane Spiegelseite zurück. Das war quasi die problemgebende Seite des Messers. Der schwarze Abbrieb war enorm, ebenso die Geräuschentwicklung. Ein Quietschen und Pfeifen begleitete jeden Schub, letztere wurden auch immer schwerer. Irgendwann funktionierte dann auch an ein, zwei Stellen so etwas wie ein HT und ich war langsam aber sicher auch ein wenig frustriert.
Ich wechselte auf den Nakayama, mit einer Tomo-Nagura angerieben, sollte er zu Beginn des Finishs das bereinigen, was die 4 & 8k an der Wate nicht geschafft hatten. Also den Stein angerieben und los ging’s. Letztendlich ging es mit einem kontinuierlichen Herunterverdünnen bis zum klaren Wasser seinen Gang. Allerdings stellte sich auch hier rasch ein Ansaugen der Klinge auf dem Stein ein … Prima, dachte ich, dann funktioniert ja das Finish schneller als gedacht. Auch hier immer mal eine Kontrolle unterm Mikro und mit dem HT, es blieb unregelmäßig. Unter fließendem Wasser ging es dann weiter und … siehe da … nach gut 2–3 Sätzen klebte die Klinge förmlich auf dem Stein, allerdings dermaßen, dass ich die Spiegelseite kaum noch bewegen konnte. Ich hatte dann auch genug und dachte mir, das finale Ledern auf dem Spanier bringt schon die restliche Feinheit und Schärfe in die Klinge. Nach gut 5 Sätzen auf dem Leder zeigte ein HT nicht unbedingt eine Verbesserung. Er funktionierte, rein subjektiv betrachtet, aber wohl etwas besser … vielleicht wollte ich das aber auch nur.
Ein wenig frustriert und mit ein wenig Unlust räumte ich erst mal alle Utensilien weg und den Arbeitsplatz auf. Nach diesem Tagwerk plagte mich aber dann doch die uns allen so bekannte Ungeduld und ich wollte es zumindest wissen, ob ich da eine rasurfertige Klinge hinbekommen habe … kurze Hose, Holzgewehr … ab ins kleine Lesezimmer und nur schnell die Wangen eingeschäumt. Das Messer angesetzt und … hm … irgendwas passierte schon im Gesicht, das Messer rasierte auch, allerdings hatte es schon mit 1-Tages-Stümpfchen an der Wange Probleme. Das war erst mal nix! Ich musste da schon 2–3 × über die gleiche Stelle (m), um halbwegs zufrieden zu sein. Letztendlich stoppte ich den Versuch und dachte nach und kam zu dem Schluss: „Was soll’s, ich kann eh nicht schlafen.“
Die zweite, ungeplante „Nachtschicht“-Progression
- Mit 1 × Tape
- SHAPTON Glass & Pro 1K — Setzen der Facette
- SHAPTON Glass 4 & 8 k —> verfeinern bis zum HT
- Nakayama Asagi → Pre-Finish
- Mit 2 × Tape
- Nakayama Asagi unter fließendem Wasser — > Finish
- finales Ledern auf dem Spanier
Ich habe kurzerhand alles wieder hergeräumt und eine Nachtschicht eingelegt … alles für den Dackel – alles für den Club!
Ich setzte quasi alles auf Null und begann von vorne, allerdings mit einem großen (kleinen) Unterschied … diesmal mit Tape. Siehe da, die Steine blieben fast bei ihrer „natürlichen“ Farbe und das Gequieke der Klinge hörte auf. Beim Ansetzen des ersten Tapes dachte ich erst an ein partielles Abkleben, d. h. nur so viel Tape zu setzen, dass nur die Fasen-Seite (Hohlung) davon profitiert. Ich habe mal über ein solches Vorgehen beim Schärfen eines Kamisoris gelesen, hier und jetzt war mir aber die Schnippelei dann doch zu viel des Guten … war auch schon spät. Die 2. Progression durchzuarbeiten (ja, von Anfang an!), ging deutlich schneller und einfacher von der Hand, auch ein Erfolg beim HT war schneller und qualitativ besser erreicht. Beim Wechsel des Tapes fiel mir übrigens auf, dass die vorherige Progression tatsächlich recht deutlich ihre Spuren in Form von Hone-Wear auf der Fasen-Seite hinterlassen hat. Scheinbar ist der Stahl doch nicht ganz so hart. Dies würde auch die immense Verfärbung der Steine erklären.
Im Grunde ging jetzt alles fast wie gewohnt, ein Unterschied war allerdings in der Anzahl und Art der Wechselschübe zu finden. Hier habe ich die Anzahl auf ein Verhältnis von ca. 10 zu 3 geändert, d. h. zuerst 10 Schübe auf der Fasen-Seite (Hohlung) und dann „nur“ 3 Schübe auf der Spiegelseite. Der restliche Ablauf ist im Grunde der gleiche wie bei Progression I, jedoch mit sichtbar und messbar höherem Erfolg. Dennoch bleibt auch hier am Ende nur die Rasur, die zeigt, ob alles geklappt hat oder nicht.
Die RdT lief gut, allerdings fehlt es am Ende doch an der Endschärfe, ist aber ein deutlich besseres Rasurverhalten als beim ersten Versuch. Dieses subjektive Manko schreibe ich den Besonderheiten des verwendeten Stahls der Klinge zu, ob es sich noch weitgehend verbessern läßt, werden kommende Auffrischungen zeigen, vielleicht fühlt sich der Stahl ja zu einem Thüringer hingezogen…ich werde es zu gegebener Zeit versuchen.
Zur RdT bitte
hier entlang…
Gruß
Gregor