Das Beste kommt zum Schluß…Zwei Messer - Zwei Steine
Wenn man zwei verschiedene Finisher hat und deren Leistungen auf das Rasurverhalten eines Rasiermessers vergleichen möchte, gibt es ja unterschiedliche Möglichkeiten und Methoden. Eine wichtige Voraussetzung, um ein halbwegs aussagekräftiges Ergebnis zu bekommen, ist natürlich immer auch, dass man das gleiche Messer verwendet. Allerdings ergibt sich da das Problem, dass man das ausgewählte Messer hintereinander schärfen und benutzen muss. Das ist schon zeitlich gesehen nicht immer sinnvoll, denn wer wartet schon gerne Wochen oder gar Monate, bis es endlich wieder so weit ist, dass das Messer erneut auf die Steine muss? Da gibt es dann zwei Lösungsansätze: einmal die gerade frisch geschärfte Klinge wieder zu „nullen“, sprich die Schneidkante zu egalisieren, oder man hat zwei Messer mit identischer Klinge. Ich bin seit kurzem in der glücklichen Lage, Letzteres praktizieren zu können, denn ich habe nach langer Suche und etwas Glück gleich zwei Böker KING CUTTER (13/16) bekommen … und zwar im NOS-Zustand. Somit kommt zusätzlich noch ein weiteres Schmankerl zu dem Vergleich der beiden Finisher hinzu: Beide Messer werden mit völlig identischer Progression inkl. Setzen der Facette bis zum jew. Finisher vorbereitet.
Teil I der Progression - jSYN bis zum Finisher (fast identisch bei beiden Messern):
- 1 x Tape
- Das Schwarze KC: SHAPTON Glass 1K —> setzen der Facette
- Das weiße KC: SHAPTON Pro 1K & SHAPTON Glass 1K —> setzen der Facette
- SHAPTON Glass 4,8 und 10k
- Zwischenledern mit ca. 1 1/2 Sätzen auf QUERCUR Shell Cordovan
Das Setzen der Facette machte keine großen Probleme und das Ziel, mit beiden Messern die noch vorhandenen Armhaare mit aufgelegter Klinge zu rasieren, wurde recht schnell erreicht. Einzig beim weißen KC musste ich 2 kleine „Lagerschäden“ in Form von kleinen Löchern in der Wate egalisieren. Die hätten mit Sicherheit nicht gestört, aber ihr wisst ja … mein innerer Monk … Dafür habe ich den SHAPTON Pro 1K gewählt, denn dieser ist trotz der gleichen Körnung von 1K tatsächlich etwas gröber (ich schätze ihn auf ± 800) und schneller als der SHAPTON Glass 1K. Wie immer wechsle ich auch diesmal vor jedem nächsten Stein das Tape und es geht mit dem 4K weiter, der sich ja von den anderen SHAPTON-Glas unterscheidet. Beim 4K handelt es sich um einen SHAPTON 4K „HC“, der speziell für Klingen aus Kohlenstoffstahl entwickelt wurde. Aus dieser Reihe, die sich auch durch die etwas dunklere Färbung von den SHAPTON Glass „HR“ unterscheidet, gibt es noch einen 6k und einen 8k. Meiner bescheidenen Meinung und bisherigen Erfahrung nach ist der „HC“ auch etwas aggressiver und schneller als seine Verwandtschaft mit dem „HR“ auf dem Namensschild.
Nach jedem Stein folgt ein kurzer Ausflug aufs Leder und eine kurze Kontrolle unter dem Mikro. Bei der Entscheidung, auf den nächsthöheren Stein zu wechseln, bediene ich mich neben der visuellen Kontrolle immer noch des für mich zweckdienlichsten Helferleins, des Haartests. Mit Einzug meines ersten jNat und Thüringers habe ich ja auch gute Fortschritte in Sachen „… der Stein sagt dir schon, wann es soweit ist …“ gemacht, ja, Japanisch-Deutsch und Sächsisch-Deutsch verstehe ich mittlerweile recht gut, beim Japanisch mit synthetischem Dialekt muss ich aber weiterhin passen, da schnippel ich weiterhin die Haare einer hübschen Blondine. Bereits nach dem 4K war selbiger HHT mit beiden Messern gut, verbesserte sich bis zum 10K auf ein sehr gut mit einem Haltepunkt von knapp 3 cm. Na bitte, Teil 1 der Progression ist geschafft und ab jetzt trennen sich dann die Wege der beiden Messer. Das weiße Messer geht auf den THÜRINGER und das schwarze Messer geht auf den NAKAYAMA ASAGI …
Anm.: Mir ist durchaus bewusst, dass ich bei der bisherigen Progression auch früher auf die Finisher hätte wechseln können, gerade beim NAKAYAMA wäre es mit Sicherheit bereits nach dem 1K gegangen, beim THÜRINGER evtl. schon nach dem 4K. Ich habe mich aber für den „längeren“ Weg entschieden, nicht zuletzt, um beiden Messern eine sehr gute „Grundlage“ für weitere Steinzeiten zu geben … und a bisserl Spieltrieb war natürlich auch dabei …
Teil II der Progression - Das Natursteinfinish
Im Grunde ist auch hier die weitere, geplante Vorgehensweise bei beiden Messern gleich, einzig der Finisher und die Anzahl der einzelnen Schritte variieren da logischerweise etwas, denn wie heißt es da so schön…jeder Stein ist anders. Da ich in meinen bisherigen Progressionen bzw. dem Finish auf einem Thüri und dem jNat damit für mich sehr gute Ergebnisse erzielt habe, werde ich auch hier die bewährte Methode anwenden…
- variabler, bedarfsgesteuerter Tapewechsel
- Durchgänge 16⇅ & 3⇅* (stationär+klares Wasser) mit Wiederholungen bis zum „kleben“ der Klinge + guten HHT
- 2.Tape
- Finish unter fließendem Wasser mit Wechselschüben/-züge bis zum kleben der Klinge
- finales Ledern auf dem Selfmade-Riemen IV, Spanier-Rind-Spanier
NAKAYAMA ASAGI
Dieser Stein macht einfach einen riesen Spaß, ich habe ihn ja erst einige Male als Finisher genutzt und bisher auch sehr gute Ergebnisse erzielen können. Dennoch weiß ich, dass es da noch so einiges zu entdecken und zu probieren gibt. Hier sei das Stichwort „Nagura“ eingebracht, von deren Einsatz ich aber bis auf den Tomo Nagura (vom NAKAYAMA ASAGI ja – aber von einem anderen Stein) bisher keinerlei praktische Erfahrungen gemacht habe. Heute gab es keine Probleme mit der geplanten Vorgehensweise, ich konnte bereits nach gut 2 Durchgängen ein beginnendes Kleben der Klinge spüren und mit einem zusätzlichen Tape zum vorletzten Schritt des Finishs wechseln. Unter fließendem Wasser zeigt der Japaner dann, was ihn für mich so auszeichnet: kurze Aktion – sehr schnelle Reaktion. Schon nach gut 2 Sätzen war das Ziel erreicht, jetzt kommt das 2. Tape und 2 weitere Sätze und der Stein & Klinge signalisieren … habe fertig. Es erfolgte wie zwischendurch immer mal wieder, auch jetzt, ein letzter Blick durchs Mikro, und ich konnte eine samtig glänzende Facette erkennen. Was fehlt, ist das finale Ledern auf meinem SM-Riemen IV, welches dann mit einem letzten, sehr gut ausgefallenen HHT abschließt.
THÜRINGER (Hellgrün)
Für diesen Stein ist es heute die Premiere und ich bin sehr gespannt, wie er sich verhalten wird. Die Vorgehensweise ist der auf dem jNat identisch. Bereits mit den ersten Schüben und Zügen gibt der Sachse ein phantastisches Feedback. Es ist ein sehr „cremiges“, fast weiches Verhalten, das ich da spüre. Auch die Akustik ist wunderbar ruhig, da gibt es keinerlei Schaben oder Schleifen … Schwierig zu beschreiben, fast würde ich sagen, der Stein hat einen Schalldämpfer, is‘ natürlich Quatsch, aber passt trotzdem irgendwie. Was mich aber neben diesen ersten visuellen und akustischen Eindrücken noch mehr beeindruckt, ist die Geschwindigkeit, mit der der Stein hier vorgeht. Genau wie beim Zwillingsmesser ist auch hier nach gut 3 Sätzen und a bisserl ein leichter Widerstand beim Schieben der Klinge zu spüren. Hier unterscheiden sich die Steine aber doch merklich, der Thüringer ist im Gegensatz zum Japaner in Sachen „…ich zeigs’ dir schon, wenn es fertig ist…“ sehr viel zurückhaltender, ein klar erkennbares Signal, wie etwa ein deutliches Kleben der Klinge, fällt hier eher zaghaft aus. Meine bisherigen Erfahrungen mit Thüringern zeigten mir ganz deutlich, wie ungemein wichtig es ist, im Finish keinerlei Druck auf die Klinge auszuüben, die Klinge quasi „schweben“ zu lassen. Im optimalen Fall erledigt hier die Adhäsion alles Weitere. Es geht nun zum Finale unter fließendem Wasser und auch hier gleicht der Thüri dem NAKAYAMA. Bereits nach gut 2–3 Sätzen ist das Zwischenziel erreicht und mit einer 2. Lage Tape folgt der abschließende Durchgang, auch hier wieder ohne jeglichen Druck. Zum Schluss folgt auch hier ein ausgiebiges Ledern auf meinem SM-Riemen IV und ein sehr guter HHT, bei dem die Testhaare mit reichlich Pling-Pling von der Schneidkante hüpfen … Bin sehr zufrieden!
Anm.: Bei der heute gezeigten Geschwindigkeit des THÜRINGER muss natürlich die Vorbereitung bedacht werden, wäre es da „nur“ bis zu 4K oder 5K gegangen, wären mit Sicherheit noch einige Schübe/Züge dazugekommen.
Thüringer (links) & NAKAYAMA ASAGI (rechts) mit 80-fache Vergrößerung + 3,5-fach Zoom iPhone 13mini
Die erste Rasur - ein kleiner Vergleich
Es ist ja nicht wirklich ein Test der beiden Messer oder Steine, dazu kommt jedes Messer natürlich einzeln und ausgiebig an die Stöppelkes. Heute ist es eher Freude, gepaart mit Ungeduld und Spieltrieb. Beide Messer haben eine tolle Akustik und ein super Rasurverhalten. Beide Finisher haben ein absolutes Top-Niveau und liegen in Sachen Sanftheit und Gründlichkeit nahezu gleich auf. Vom Gefühl her gebe ich dem NAKAYAMA ein Pünktchen mehr an Schärfe, aber das werde ich mit dem Thüringer, den ich ja auch zum ersten Mal benutzt habe, mit Sicherheit noch aufholen. Jetzt gilt es, die Steine zu „entdecken“, zu probieren und Feinheiten, Stärken und Schwächen kennenzulernen …
Zur RdT bitte
hier entlang…
Trotz aller Euphorie, sei es mit dem schon etwas bekannteren NAKAYAMA ASAGI oder dem nicht mehr völlig unbekannten THÜRINGER: Was letztendlich zählt, ist und bleibt die Rasur mit dem jeweiligen Messer und Finish. Wobei aber eine Aussage über das erreichte Rasurverhalten nach nur einer Rasur auch immer relativ gesehen werden muss, sei es ein großer oder auch nur ein kleiner Unterschied: Ein Messer wird sich nach dem Schärfen und der ersten Rasur danach immer noch verändern. Eine letztendliche Aussage über den Stein und „sein“ Finish sollte da erst nach einigen Rasuren und vor allem auch anderen Messern getroffen werden.
Gruß
Gregor
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Schärf-Legende:
1 Satz sind immer 10 Wiederholungen (10x), egal ob Einzelschübe, Wechselschübe, Doppelzüge oder was auch immer womit wodrauf gemacht wird.
*) Ein Durchgang „16⇅ & 3⇅“ bedeutet:
16 Schübe/Züge auf einer Seite, dann Seitenwechsel und 16 Schübe/Züge auf dieser Seite. Dann geht es alternierend jew. -2 Schübe/Züge bis runter auf die 0.
Die 3 bedeutet 3 Sätze á 10 Wechselschübe/-Züge
Als Zubehör/Werkzeug diente bewährtes: Tesa Tape, Uhrmacherlupe+Stirnhalter, Bin-Mikroskop, ne’ Schärfbrause, groovige Musik und eine Menge Spaß am Ganzen!