Forum der Rasur

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Kleine Stahlkunde: Ihr fragt, ich antworte

Meine Vermutung wäre, nach den sehr Verständlichen Ausführungen von Ulrik, dass es sich bei dem GD 66 um nichts anderes als "ordinären", in China produzierten, 1.2210 Silberstahl handelt.

Die Heiden Schleifarbeit und das damit einhergehende Gefühl "härteren Stahls" hängt vermutlich eher damit zusammen, dass man die Facette ziemlich breit abtragen muss und auch den Rücken um einiges weggeschliffen wird, bis man eine vernünftige Geometrie bekommt. Nachdem ich dazu überging, diese Grundarbeit nicht mit einem Stein, sondern mit einem auf einen Bankstein gepapptes 400 Nassschleifpapier zu mache, ging das alles viel schneller und die 3 von mir geschärften GD 66 verhielten sich auf den Folgesteinen dann auch nicht wesentlich anders, als ein Solinger.
 
Es können also zwei Betriebe den gleichen ungehärteten Stahl geliefert bekommen, aber es hängt von dem Können des Betriebes ab, ob die Qualität des Stahl-Rohlings beim Härten im Betrieb erhalten bleibt.

Ist das eine Frage der Tagesform der Person oder kann man das per Maschine einstellen, damit die gewünschte Bandbreite bei den Temperaturen nicht überschritten werden?

Wenn das der wichtigste Schritt am Anfang der Arbeitskette im Rasiermesserbetrieb ist, welche "Hürden" kommen denn dann noch bei den nächsten Schritten im Verarbeitungsprozess auf den Betrieb zu, bei denen er etwas verbessern oder gar verschlechtern kann?

Wie gesagt, ind er Regel härten die Betriebe nicht selbst sondern bekommen schon die gehärteten Rohlinge geliefert.
Die Rohlinge werden in der Gesenkschmiede geschmiedet und dann einer Härterei übergeben die auf Massenhärtungen in hohen Stückzahlen ausgelegt ist. Diese Rohlinge werden dann noch grob gerichtet und gehen dann an die Schleifer raus.
Soweit ich weiß sind wir quasi die einzigen die die Rohlinge selbst härten. Wobei man sagen muss, dass die Härtereien ihr Handwerk verstehen und man daher davon ausgehen kann, dass die alle ordentlich gehärtet sind. Das Problem liegt eher darin, dass man am gehärteten Rohling nur noch sehr wenig verzieren kann (zumindest nicht mit vernünftigen Mitteln) daher sind uns weichgeglühte Rohlinge lieber. Auch das Richten der Rohling ist bei den hohen Stückzahlen oft mangelhaft und somit landen viele krumme gehärtete Rohlinge in den Schleifereien. Die können dann nur noch entsorgt werden oder man schleift sie eben doch und sie landen als problematische Schärfkandidaten am Markt...

Das Härten sollte heutzutage nicht mehr Tagesform abhängig sein, die Härteöfen sind elektronisch gesteuert und gehen aufs Grad genau. Problematisch wird es nur wenn derjenige der die Klingen entnehmen soll pennt (oder am Klo ist, oder telefoniert....) und die Klingen zu lange drinnen sind. Dann gibt es unter Umständen Entkohlung oder Grobkorn. Es kann auch passieren, dass eine Klinge aus der Halterung rutscht und einige Härtezyklen im Ofen bleibt, dann wäre sie auch massiv entkohlt (Härteverlus) und grobkörnig (spröde). Fehler können also passieren, sind aber sicher nicht die Regel.

Wenn man nur die spätere Rasurqualität im Auge hat, sind die beiden wichtigsten Aspekte in der weiteren Verarbeitung das Erhalten der Härte und das Erzeugen einer guten Geometrie ohne Verzug.
Das Überhitzen und somit ein Verlust an Härte tritt mitunter in der Schleifhexe auf. Hier habe ich Abtrag von beiden Seiten was sehr schnell zu Hitzeentwicklung führt. Das soll durch permanentes Besprühen mit Wasser verhindert werden. Wenn der Schleifer jedoch sehr eilig unterwegs ist und den Anpressdruck der Steine zu stark wählt, kann das Wasser nicht mehr an den Stahl gelangen, zudem erhitzt sich dieser soweit, dass sich eine Dampfhaut bildet die jedes weitere Wasser abweist. Die Klinge kann dann durchaus komplett weichglühen.
Auch beim Polieren bzw. Pliesten der Klinge kann diese so heiß werden, dass sie Härte einbüßt.

Hinsichtlich der Geometrie der Klinge ist es wichtig nicht durch den Rücken zu schleifen. Der Schneidenwinkel wird dadurch zu niedrig was zum Versagen der Schneide führt, zudem ist das Schärfen eine Qual wenn der Rücken dünner ist, als der Erl.
Krumme Klingen müssen rigoros ausgemustert oder falls möglich geradegeschliffen werden.
Der Ausschliff zur Schneide hin muss gleichmäßig und schön dünn erfolgen um ein angenehmes Schärfen zu gewährleisten.


Mich würde interessieren, aus welcher Stahlsorte ein chinesisches Gold Dollar 66 besteht. Gibts hierzu konkrete Angaben oder zumindest Vermutungen, was es sein könnte?

Meine Vermutung wäre, nach den sehr Verständlichen Ausführungen von Ulrik, dass es sich bei dem GD 66 um nichts anderes als "ordinären", in China produzierten, 1.2210 Silberstahl handelt.
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Das sind jetzt reine Vermutungen, aber ich denke auch, dass es sich um einen dem 1.2210 recht ähnlichen Stahl handelt. Es könnte aber auch ein Kohlenstoffstahl wie 1.1545 sein, oder etwas in der Art des 1.2842. Die Stahlnormen in China sind aber ohnehin deutlich anders als bei uns. In jedem Fall ist es ein niedrig legierter Werkzeugstahl oder ein reiner Kohlenstoffstahl.
Was man auch nie vergessen darf ist, dass Stahl kaum ein Preisfaktor ist. Selbst in Europa kostet das Kilo Qualitätsstahl in Großmengen nur ca. 5 Euro. Demnach pro Klinge ca. 25 Cent. Da ist durch die Verwendung von "schlechtem" Stahl der dann "nur" 18 Cent kostet, nicht viel rauszuholen ;-)
Selbst in China wirkt sich da die Arbeitszeit viel deutlicher aus. Von Europa ganz zu schweigen.

mfg
Ulrik
 
Auch das Richten der Rohling ist bei den hohen Stückzahlen oft mangelhaft...

Das wundert mich als Laie jetzt. Ich hätte vermutet, daß im heutigen Zeitalter von Präzisionsmaschinen es ein Leichtes sei, ein "Stück Stahl" exakt zu biegen? Warum bekommen die Härtereien das nicht bspw. in 99% der Fälle richtig hin? Das scheint ja dann doch schwieriger zu sein, als ich dachte...?
 
Das sind jetzt reine Vermutungen, aber ich denke auch, dass es sich um einen dem 1.2210 recht ähnlichen Stahl handelt. Es könnte aber auch ein Kohlenstoffstahl wie 1.1545 sein, oder etwas in der Art des 1.2842. Die Stahlnormen in China sind aber ohnehin deutlich anders als bei uns. In jedem Fall ist es ein niedrig legierter Werkzeugstahl oder ein reiner Kohlenstoffstahl.
Was man auch nie vergessen darf ist, dass Stahl kaum ein Preisfaktor ist. Selbst in Europa kostet das Kilo Qualitätsstahl in Großmengen nur ca. 5 Euro. Demnach pro Klinge ca. 25 Cent. Da ist durch die Verwendung von "schlechtem" Stahl der dann "nur" 18 Cent kostet, nicht viel rauszuholen ;-)
Selbst in China wirkt sich da die Arbeitszeit viel deutlicher aus. Von Europa ganz zu schweigen.

mfg
Ulrik
Vielen Dank für die Info und auch für die übrigen, sehr interessanten und ausführlichen Erläuterungen.
 
Die Heiden Schleifarbeit und das damit einhergehende Gefühl "härteren Stahls" hängt vermutlich eher damit zusammen, dass man die Facette ziemlich breit abtragen muss und auch den Rücken um einiges weggeschliffen wird, bis man eine vernünftige Geometrie bekommt. Nachdem ich dazu überging, diese Grundarbeit nicht mit einem Stein, sondern mit einem auf einen Bankstein gepapptes 400 Nassschleifpapier zu mache, ging das alles viel schneller und die 3 von mir geschärften GD 66 verhielten sich auf den Folgesteinen dann auch nicht wesentlich anders, als ein Solinger.

Das sehe ich auch so. Dieser sagenumwobene extrem zähe und sehr schwierig bearbeitbare Stahl der chinesischen Messer ist auch so eine urbane Legende, die weltweit durch alle Nassrasurforen geistert. Mit den "richtigen Mitteln" kommt man auch hier gut und schnell zum Ziel.
 
Das wundert mich als Laie jetzt. Ich hätte vermutet, daß im heutigen Zeitalter von Präzisionsmaschinen es ein Leichtes sei, ein "Stück Stahl" exakt zu biegen? Warum bekommen die Härtereien das nicht bspw. in 99% der Fälle richtig hin? Das scheint ja dann doch schwieriger zu sein, als ich dachte...?

Genau solche Arbeitsschritte lassen sich auch heute nicht wirklich mit Maschinen machen, da jeder Rohling anders ist. Das gilt auch für das Maschinenschleifen von Klingen. Zwar ist die Wiederholgenauigkeit des Schliffvorgang viel präziser als bei einem Menschen, jedoch kann sich die Maschine nicht auf die kleinen Eigenheiten jedes Rohlings einstellen und "schert alle über einen Kamm" und das führt zu deutlich schlechteren Ergebnissen als von einem Schleifer der zwar jeden Rohling etwas anders schleift, dabei aber auf Verzug und dergleichen Rücksicht nimmt.

Zudem lässt sich gehärteter Stahl nicht wirklich biegen. Dabei bricht er. Man muss ihn durch kleine Einkerbungen auf der "kurzen" Seite" strecken wodurch sich die Klinge von der gekerbten Seite wegbiegt. Eine Maschine ist dazu nicht in der Lage, das muss mit Augenmaß erfolgen. Das Video ist für mich daher nicht wirklich schlüssig da kein Richthammer sondern ein normaler Hammer verwendet wird. . Würde ich unsere Rohlinge nach dem Härten mit einem balligen Hammer über einer Aussparung im Amboss richten wollen, würden sie sofort brechen. Insofern sind entweder die Erle nicht mitgehärtet oder die Klinge sind sehr hoch angelassen und werden unter ihrem Härtepotential verwendet.

mfg
Ulrik
 
Die Frage, ob man ein Rasiermesser nach der Rasur erst mal 24 Stunden ruhen lassen sollte bevor es nochmal auf dem Lederriemen abgezogen werden darf, beschäftigt mich nun schon lange Zeit und ich habe bis heute keine nachvollziehbare Begründung hierfür gefunden.

Daher meine Frage, ob es aus metallurgischer Sicht hierfür tatsächlich eine Begründung gibt. Also ob der Stahl tatsächlich so etwas wie eine zeitliche Erholungsphase benötigt.

Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung.
 
Die Frage, ob man ein Rasiermesser nach der Rasur erst mal 24 Stunden ruhen lassen sollte

Super Frage, die ich mir auch gestellt habe und mir immer mal wieder stelle, zumal alte Barbiere auch nicht für jeden Kunden ein eigenes Messer hatten, sondern manchmal nur 2-3, die an Hochtagen den ganzen Tag "durchrasiert" haben.
 
Also meines Wissens gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass diese Erholungsphase nötig ist, bzw irgendeinen Einfluss auf den Stahl hat.
Meine persönlich Vermutung ist eine reine Marketingstrategie um möglichst viele Messer zu verkaufen, da sich das vom Vortag ja "noch ausruhen muss" ;-)
 
Ich hatte so etwas in dieser Richtung bereits vermutet. Vielen Dank für die Info.
 
In einer "Bedienungsanleitung" eines alten Zwilling RM´s steht folgendes:

".....Außerdem ist es ratsam, auch nach dem Rasieren das Messer noch einmal kurz auf dem Streichriemen abzuziehen......."

Böker schreibt in einer alten Anleitung vom Abzug auf dem Handballen nach der Rasur ;)

Was ja - mit Korrat unterstellt, dass das nicht schädlich sein kann und "Ruhephase" Märchen ist - durchaus Sinn macht, weil man damit auch die Klinge komplett ohne "Verrenkungen" wieder trocken bekommt;)
 
Der komplette Text lautet wie folgt:

Behandlung von Zwilling - Rasiermessern

Jedes neu gekaufte Zwilling - Rasiermesser ist fertig zur Benutzung und braucht für die erste Rasur nicht mehr geschärft zu werden. Vor jedem folgenden Gebrauch muß das Rasiermesser jedoch auf einem gutem Streichriemen abgezogen werden.

Man lege die Klinge ganz flach auf und ziehe das Messer in der Richtung des Rückens 8-12 mal, beide Seiten abwechselnd über den Riemen hin. Hierbei ist sorgfältig darauf zu achten, daß sich der Rücken des Messers nicht vom Riemen abhebt, weil sonst die Schneide verletzt wird.

Gutes einseifen ist unbedingt erforderlich, um eine gute Rasur zu erzielen.

Nach dem Gebrauch wird die Seife abgespült und die Klinge mit einem wollenen Tuch gut abgetrocknet, wobei man sich vor jeder Berührung der Schneide sorgfältig hüten muß. Außerdem ist es ratsam, auch nach dem Rasieren das Messer noch einmal kurz auf dem Streichriemen abzuziehen.
Wenn ein Messer einmal nicht zusagt, wird es immer daran liegen, daß Hohlschliff und Breite der Klinge für den betreffenden Bart nicht geeignet sind. Über die für Ihren Bart am besten geeignete Hohlung und Breite berät Sie gern Ihr Fachgeschäft

J.A.HENCKELS ZWILLINGSWERK A.G., SOLINGEN
 
Auch auf coticule.be wird empfohlen, nach der Rasur mit dem Messer mit ein paar Zügen über den leinenriemen zu gehen. Ich Frage mich manchmal, ob das alles wirklich so wichtig ist (wie viel? wie oft?wann?) - Hauptsache scharf!
 
Wenn ein Messer einmal nicht zusagt, wird es immer daran liegen, daß Hohlschliff und Breite der Klinge für den betreffenden Bart nicht geeignet sind.

Das finde ich eine wichtige Aussage. Ich glaube das wird oft zun wenig beachtet, wenn man über Rasiermesserempfehlungen spricht. Ist aber jetzt in diesem thread am Thema vorbei...
 
Ich könnte mir vorstellen, dass das Anziehe Abziehen auf einem Riemen der Trocknung der Facette dienen soll. So will der Hersteller sicherstellen, dass 1. die Facette trocken ist und 2. die Facette nicht beschädigt wird.
Nur so eine Vermutung!
 
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