Meine Seifen, Pinsel und Aftershaves haben mich heute Morgen völlig entsetzt angeschaut, denn ich habe es wieder getan. Ich habe ein Öl gewählt. Und sie schmieden vermutlich gerade Pläne wie man die Herrin des Hauses dazu anstacheln könnte, dieses ölige Ungeziefer aus den Rasurbereichen für immer zu vertreiben. Denn es stelle eine potentielle Gefahr dar für die Mehrheit aller Beteiligten einer gepflegten Nassrasur.
Ich habe natürlich versucht zu beschwichtigen, habe betont, dass so etwas bisher immer nur eine Phase, ein kurzzeitiges Probieren zwischendurch sei, und niemand etwas zu befürchten hätte. Sie könnten sich auf ihre Überzeugungskraft was Genuss und wohltuendes, das Gemüt erwärmendes Auftreten anbelangt, verlassen. Schließlich stapeln sich hier ja nicht umsonst Unmengen ihresgleichen und das hat ja seinen Grund.
Als Antwort bekam ich, dass schon viele Übel im Kleinen begonnen haben und ehe man sich versieht, landet man in der Verbannung. Schon so mancher habe vergessen, dass er den Weg der Nassrasur nicht eingeschlagen hat, um die mit minimalistischsten Mitteln effektivste Weise zu finden, sondern um die genussvollste Art zu zelebrieren, mal von dem ewigen Geheische nach Schnelligkeit, Zeitersparnis und eiligem Gehetze runterzukommen. Wie schnell wäre man wieder gefangen davon und tausche entschleunigende Ruhe mit geschäftigem Abfertigen aus und bilde sich ein, damit etwas gewonnen zu haben.
Ich muss ihnen Recht geben. Es geht zwar nicht mehr effektiver als mit Öl. Vielleicht ist irgendein Gelzeug da genauso gut, weiß ich nicht. Aber Hobel, Klinge und Öl, mehr braucht man nicht, um sich gepflegt nassrasieren zu können. Mehr ist nicht notwendig. An Effizienz nicht zu schlagen. Das hat doch auch was! Für den Urlaub oder Kurztripp nicht zu überbieten. Insgesamt aber fehlt etwas, immer wieder.
Das hat sie ein wenig beruhigt, ich bin ja nicht so oft im Urlaub. Und ich glaube ich muss nicht befürchten, dass der eine oder andere Pinsel heimlich für ein paar Sekunden einen winzigen Stachel ausfährt, um mich zu maßregeln.
Dann bin vor dem Spiegel mit dem Handtuch in der Hand wieder aufgewacht. So mancher Sonntagmorgen hat es ganz schön ins sich!