@maranatha
Ich bin ja ein Fan der Testergebnisse von Science of sharp, die ich hier im Forum ja schon ein mal mit Übersetzung und Bildern geposted habe. Werde es nachher
hier nochmal verlinken.
Wenn man den Schlussfolgerungen dieser Tests folgt, gibt es 2 Arten von "Schärfe", die ein RM beide braucht, um ein Haar sauber zu durchtrennen.
Das liegt laut diesen Untersuchungen daran, dass das Haar aus Mantel und Kern besteht und beides eine unterschiedliche Struktur haben. Siehe die Aufnahmen dort mit dem Elektronenmikroskop bei unterschiedlicher Vergrösserung.
500x grösser
3.000fache Vergrösserung
Man braucht demzufolge eine bestimmte Art der Schärfe bzw. "Dünne an der Spitze/am Scheitelpunkt der Klinge", um überhaupt durch den dickeren Mantel zu kommen. Das ist das, was wir beim Haartest als das "Ergreifen" des Haares wahrnehmen.
Diese Schärfe erreicht man nur mit Körnungen oberhalb von 4K Steinen (immer auf Naniwa Steine bezogen). Also in Deinem Fall der Gouken 8k. Wenn Du mit dem 8K bei Schärfen alles richtig gemacht hast und auch alles andere mit dem Messer in Ordnung ist, muss das RM beim Haartest zumindest das Haar "packen" können.
Je höher die Körnung dann ist, umso leichter sollte das Haar ergriffen werden können. Ist dem nicht so, hast Du meines Erachtens beim 8K oder 12k etwas falsch gemacht. Eventuell zu lange auf dem 12K geblieben oder andere Gründe.
Jetzt steckt also die Klinge im Haar, hat den Mantel durchbrochen, weil es an dieser Stelle extrem dünn ist. Ganz durchgeschnitten ist es aber damit immer noch nicht. Auch wenn man bei 8k und 12k alles richtig gemacht hat.
Diese Dünne ganz am Scheitelpunkt
A der Klinge kann das Messer aber nicht überall haben, da es sonst abbrechen würde. Es braucht also eine etwas dickere Schneide dahinter, damit es das ganze Haar durchtrennen kann, ohne selber abzubrechen. Das ist der Punkt
B (siehe Skizze ganz unten).
Für das Durchtrennen des Haares ist eine andere Stelle am RM wichtig (
B), nicht die absolute Spitze (Wenn man das RM hochkant auf seinen Rücken legt und dann wie im Durchschnitt drauf schaut.
10.000fache Vergrösserung
Wir reden hier von Abständern ab dem Scheitelpunkt der Klinge von bis zu 3 Mikronen (=0,003mm) zwischen A und B, die man nur mit dem Elektronenmikroskop noch sehen kann.
Diese andere notwendige Schärfe/grössere Dicke kann nur mit Schärfsteinen bis zur Körnung 4k einschliesslich erreicht werden*. Also bspw. 1k, 2k, 3k, 4k. Mit diesen Steinen wird die Facette noch beeinflusst. Siehe hier:
Diese Qualität der Facette entscheidet also darüber, ob das Haar nachdem es nur ergriffen wurde, auch durchtrennt werden kann.
Wenn Du Dich also rasierst (oder Haartest) und es ziept, ohne dass der Bart weggeht, dann musst Du das RM komplett neu aufbauen ab 1k.
Wenn Deine Rasur ungründlich wurde, es aber gar nicht ziepte, liegt es an der Schärfung grösser als 4k. Offensichtlich war die Schneide am Scheitelpunkt nicht dünn genug, um das Haar zumindest zu ergreifen (=in den Mantel des Haares einzudringen). So kann man sich dann beim Nachbessern die Steine 1-4k sparen und eher bei 8K und grösser direkt anfangen, wenn man es eilig hat.
Generell sollte in dem hohen K-Bereich ein direkter Zusammenhang zwischen hoher Kornzahl und sanfterem Rasurerlebnis bestehen. Das ist auch der Grund, warum viele bei bestimmten Pasten und bei Lappingfilm von 0,3M und 0,05M die Rasur als nochmals deutlich sanfter empfinden:
Hier wird der Scheitelpunkt der Schneide, die für das Zupacken des Haares, das Einkerben in den Haarmantel zuständig ist, besonders dünn und extrem glatt. Je dünner/glatter, umso sanfter geht es durch den Mantel.
So also die Ergebnisse dieser Untersuchung.
Aber man sollte auch beachten, daß man so zwar das RM theoretisch perfekt schärfen kann, aber auch aufpassen muss, wie das RM diese extreme Schärfe/Sanftheit überhaupt über mehrere Rasuren behalten kann. Ist es nämlich im Scheitel zu dünn geschärft, mögen die ersten 2 Rasuren genial sein, aber irgendwann bricht es ein und die Schärfe lässt nach, weil der Scheitelpunkt einfach zu dünn war, um viele Rasuren überleben zu können. Dann muss man viel schneller zurück auf die Steine, als mit einem anderen RM, das anfänglich nicht so perfekt war, aber dafür diese immernoch sehr gute Schärfe länger hält.
Um die Schärfe in solchen Fällen lange zu halten, nehmen manche sogar vor jeder Rasur ein paar Züge auf dem Pastenriemen. Ich nehme aber an, daß Du das erst einmal nicht willst.
(manche machen aus diesem Grund auch gerne durch Abtapen am Ende eine zweite Facette, weil hier der Keil hinter dem Scheitelpunkt dicker und damit stabiler wird)
Jetzt ist das natürlich nicht immer so einfach in der Praxis, denn es gibt ja nicht nur schwarz und weiss bzw. nicht nur Kunststeine oder Pasten oder Lapping Film, sondern auch Grauschattierungen. Jede Paste ist anders, jeder 12k Stein und höhere Steine auch. Nur bei Lapping Film hat man stets wiederholbare konsistente Ergebnisse.
Auch ist noch nicht genug erforscht, warum manche Natursteine, die ja unterschiedliche Korngrössen vereinen (meist unterhalb von 12k), trotzdem als Finisher das RM sanfter machen, ohne an Schärfe zu verlieren.
Ich denke da bspw. an gelbe belgische Brocken, les latneuse, Thüringer, Escher, CF, Jnats etc pp.
Aber zumindest ist es eine
Orientierungshilfe bei der Fragestellung bzgl. der Naniwas. Ich hatte im gleichen Thread auch in einem der
Postings den HHT gezeigt und die Punkte in einer Zeichnung dargestellt und erläutert.
Für
grün A sind die Steine grösser als 4k zuständig, (=Ergreifen des Mantels) für das
rote B (nur 0,003mm von A entfernt = Durchtrennen des Haares) die Steine von 1k-4k.
(*= Natürlich kann man das auch mit einem 8K Stein erreichen, solange man bereit ist, sehr lange mit sehr viel Druck zu schärfen. Das ist aber nicht sinnvoll, wenn man einen 1K und 4K Stein eh schon hat. Viel zu zeitaufwendig)