Ergänzung
Es geht mir nicht darum, Recht zu haben. Ich versuche nur Wege auf zu zeigen, die durch Beobachtung und Erfahrung nachvollziehbar sind. Es gibt so viele (Irr)Wege die auch zum Ziel füren können, oder auch nicht, aber es gibt erprobte Wege, die mit Sicherheit zum Ziel führen. All die vielen Tipps, die ja durchaus Sinn machen können, sind aber nicht für den Anfänger geeignet, denn sie schaffen nur Verwirrung. Erst wenn genügend Erfahrung vorhanden ist, können solche Maßnahmen ergänzend wirken.
Ja so ist es.
Da das Thema immer sehr kontrovers diskutiert wird, möchte ich hier noch einmal etwas zum sogenannten Grat ausführen. Der ist – wie so vieles – natürlich eine Definitionsfrage. Und stiftet häufig Verwirrung. Das erkenne ich auch an meinen eigenen Beiträgen bei nochmaligem Durchlesen.
Viele sehen in
dem Grat das, was sich im vorderen Teil der Schneide beim Schärfen umklappt oder ausfranst. Das ist wohl auch die gebräuchlichste Vorstellung. Ich habe früher Messer in meiner Schleiferei lieber nach Hamburger Art geschliffen, also das Messer oben auf dem Schleifstein, dieser dreht sich vom Schleifer weg. Dann sieht man nämlich sehr genau direkt beim Schleifen, wann der Grat umklappt und ob er dies gleichmäßig auf der gesamten Länge tut. Nach Solinger Art, wo unten geschliffen wird, muss man das Messer erst Anheben und Umdrehen um zu sehen, ob und wie sich der Grat gebildet hat. Ist aber Übungssache und geht mit der Zeit in Fleisch und Blut über.
Auf der anderen Seite sprechen wir aber beim Ledern zwischen den Rasuren doch auch davon,
den Grat wieder aufzurichten und gleich zu schalten oder glatt zu machen. Das Gleiche beim Küchenmesser, welches wir über einen Wetzstahl ziehen, der ja -zumindest früher- auch nicht das Schärfen sondern vor allem das Ausrichten des Grates oder sagen wir, des vorderen Schneidenbereiches, zur Aufgabe hatte.
Gibt es also einen nicht sichtbaren, guten, erwünschten Grat und einen schlechten, schädlichen Grat, den man mit bloßem Auge, einer Lupe oder Mikroskop sehen kann?
Wie definiert man den Grat? Auch hier gibt es die unterschiedlichsten Definitionen. Ich will hier mal meine Ansicht nennen. Für mich entsteht ein Grat dann, wenn die Materialstärke durch Schleifen oder andere Oberflächenbearbeitung so dünn wird, dass die Stabilität gegen äußere Einflüsse verloren geht.
Auch hier mal ein Beispiel aus der Schleiferei. Manche meiner Kunden mögen es, die Rasiermesser in der Hohlung extrem dünn ausgeschliffen zu haben. Das ist schleiftechnisch aber immer eine
Gratwanderung (der passte jetzt hier so schön).
Je dünner die Hohlung, desto beweglicher wird die Messerklinge und um so mehr lässt sich der untere Teil mit Wate und Wall biegen. Der schöne Klang beim Anschlagen ist aber wohl der Hauptgrund für den Wunsch des Dünn-Ausschleifens.
Ab einem bestimmten Punkt wird die Hohlung aber zu dünn, das Messer bewegt sich beim Biegen kurzzeitig in eine andere Form und Lage, verharrt dort aber nicht lange und klappt wieder zurück. Das kann man auch deutlich hören. Es gab früher mal und gibt es sicher auch heute noch, Metalldosen deren Deckel so dünn war, das durch Druck er seine Form kurzzeitig änderte und die Dose öffnete, er aber dann wieder in seine Ausgangslage zurücksprang, sobald man den Druck wegnahm.
Schleift man nun die Hohlung noch weiter, wirft das Material Blasen, d.h. an den ganz dünnen Stellen ändert das Material seine Lage irreversibel. Und wenn ich noch weiter mache und versuche die Klinge durchzubiegen, reist schließlich das Metall.
Ganz Ähnliches geschieht an der Schneidenspitze des Messers beim Schärfen. Die Wahrnehmung hier, dass der Grat bereits umgeklappt ist oder gar eingerissen, ist nach meiner Vorstelllung jedoch bereits etwas zu weit, da der (noch in Form befindliche) Schneidenbereich weiter hinten bereits instabil ist oder sein kann. Und die Frage ist, wieweit will man das zulassen. Deswegen ziehe ich, wie bereits gesagt, die Messer beim Steinwechsel durch ein Stück Holz oder Horn, um den zu instabilen Bereich des Grates zu reduzieren, auch wenn er noch nicht sichtbar ist. In der weiteren längerfristigen Benutzung des Messers macht sich das meiner Meinung nach bemerkbar in einer höheren Standfestigkeit, da Klingen mit weiter ausgedehntem instabilem Bereich, deutlich früher Beschädigungen wie Einrisse davon tragen. Aber natürlich ist auch das wieder von so vielen Faktoren abhängig wie etwa Härte und Zähigkeit des Stahles, etc. Aber auch z.B. das viel diskutierte Setzen eines zweiten Phasenwinkels beim Rasiermesserschärfen kann man mal unter diesem Gesichtspunkt betrachten.
Just my two cents – wie die Amis immer so schön sagen.
Gut scharf! hatzicho