@EasyRider :
Theoretisch ist es relativ einfach, auch auf stark nachgebenden Materialien wie Diamant-Nanocloth bzw. meinen Diamantfilzplatten eine super hohe Schärfe zu erhalten, mit der man sich auch tatsächlich rasieren kann:
- Messer kurz über grobes Leinen abziehen (so 50 Züge müßten reichen),
bevor es auf Diamantpaste geht
- Auf Diamantpaste dann einfach sehr, sehr viel weniger Züge mit sehr viel weniger Druck machen!
Vorbedingung ist allerdings, daß das Messer mindestens einen Finisher vom Rang eines 12000er Naniwa SS gesehen hat, sonst bringt das nix.
Dann würde ich mal mit nur 2-3 Zügen, gestreichelt über Nanocloth, anfangen
Man muß sich halt langsam an den optimalen Bereich herantasten, das ist beim Chromoxidriemen ja auch nicht anders - das ist die Praxis im Gegensatz zur Theorie.
Abschließend dann Leinen/Leder, das volle Programm. Rasiertest. Und dann gegebenenfalls wieder von vorn, diesmal vielleicht mit 4-5 Zügen über Diamant-Nanocloth.
Usw. usf ... ad finitum
Warum so wenig Züge, da wird die Facette ja nicht mal halbwegs poliert, fragt sich nun der leicht enttäuschte Schärfer?
- Weil es für die Rasur relativ wurscht ist, wie die Facette aussieht. Wichtig sind die Schneide und die 5-10 µm Ogive direkt dahinter, der Rest der Facette interessiert meiner Erfahrung nach überhaupt nicht. Dumm ist nur, daß wir die Schneide und den Spitzbogen mit unseren optischen Instrumenten nicht bzw. nicht richtig sehen können ... wir müssen uns (leider) auf Gefühl und Erfahrung verlassen und uns ans Optimum langsam herantasten.
Die wenigen Züge auf mit Diamantpaste beschichteten,
stark nachgebendem Untergrund reichen aber aus, um an der nur 0,1 - 0,3 µm dünnen Schneide und den paar µm direkt dahinter (seht bei Todd von Science of Sharp nach wenn Ihr nicht glaubt, daß man eine Rasiermesserschneide so dünn ausschleifen kann) starke Veränderungen zu bewirken, da die scharfkantigen, harten Diamanten unheimlich viel Material abtragen können.
Bei Chromoxid ist das viel weniger der Fall, aber auch mit Chromoxid auf
stark nachgebender Basis kann man den gotischen Spitzbogen zu einem stumpferen Spitzbogen transformieren, wenn man zu viele Züge macht. So erkläre ich mir zumindest einige Ergebnisse meiner Versuche, die ich auch mit Chromoxid auf dicken Filplatten angestellt habe - dasselbe Resultat bei der Rasur wie bei diamantgeschärftem Messer.
Die ganze Materie ist verwirrend, ich weiß. Wenn man dann noch dazu die super Ergebnisse vergleicht, die man mit Diamantpasten auf Leder-Stoßriemen oder Leder/Leinen-Hängeriemen erzeilen kann, scheint nichts mehr zusammenzupassen.
Und die ganze Schärferfahrung, die man sich mit der Zeit so angeignet hat, völlig nutzlos zu sein
Aber da stellt sich mir doch die (Sinn-)Frage: Was bringt es, ein Messer so scharf zu machen, dass man sich damit eigentlich nicht mehr (gut) rasieren kann?!
Das ist die Frage, die leider noch niemand abschließend klären konnte ... wie scharf ist "zu scharf", wie komme ich denn nach "zu scharf" und was passiert da genau bei der Rasur, daß das Messer als "zu scharf" empfunden wird?
"Zu scharf" ist leider, so fürchte ich, sehr häufig von der Tagesform und ganz besonders von der Rasurvorbereitung abhängig ... das ist aber nur meine persönliche Meinung/Erfahrung.
Btw., ich vermute, daß Dein Messer eben nicht "zu scharf" war. Sondern daß die Schneide zwar "sauscharf" war, die Ursache der unangenehmen Rasur aber in den paar µm hinter der Schneide, im Spitzbogen, im "2ten Winkel" zu suchen ist. Der Winkel stimmt einfach nicht, der ist zu groß. Du hast vermutlich keinen Spitzbogen, sondern einen "Stumpfbogen" an Deinem Messer ...
Erklärung dafür ... s.o. im Post.