Zu den Naguras kann ja Andreas noch was erzählen.
Ja, sehr gerne.
Vor ca. 700 Jahren zog ein Samurai Namens Sakon Nagura, der im Dorf Mikawa Nagura lebte, zur Jagt in die Berge. Dort entdeckte er die Steine, die vor Hunderttausenden von Jahren sich durch Vulkanasche gebildet hatte. Es soll wohl 12 verschiedene Sorten geben. Mir sind folgende bekannt:
1.) shikiban
2.) ban
3.) atsu
4.) mushi
5.) yaebotan
6.) botan
7.) koma
8.) buchi
9.) serisuma
10.) tenjyou
11.) mejiro
12.) ?
1976 wurde die Mine geschlossen und die "neuen" werden aus großen Blöcken geschnitten, die vorher abgebaut und eingelagert wurden.
Von den 12 verschiedenen Naguras sollen acht verwendbar sein. Ich habe bisher auch nur die allgemein bekannten getestet. Yaebotan, Botan, Koma, Tenjyou und Mejiro.
Ich habe "alte", noch in Kartonage verpackte aus den 40er bis 60er Jahren, sowie die "neuen" getestet. Alles wunderbare Naguras, die für den Einsatz von Rasiermesser bestens geeignet sind! Zu den oben genannten Mikawa Naguras werde ich bestimmt später noch einmal was schreiben.
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Kurze Erklärung zu Tomo-Nagura und Nagura. Es gibt verschiedene Ansichten was ein Tomo-Nagura ist. Für mich ist ein Tomo-Nagura ein Stück aus demselben Stein. Also, wenn zum Beispiel von einem großen Tennen-Toishi ein Stück abgetrennt und damit der Tennen-Toishi angerieben wird. Dieses abgetrennte Stück ist für mich ein Tomo-Nagura. Alle anderen sind Naguras. Wenn ich aber nun dieses abgetrennte Stück auf einen anderen! Stein benutze, wird er für mich wieder zum Nagura.
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Mit dem "Ara-to" beginnend werde ich hier einige japanische Naguras vorstellen.
Einen gröberen japanischen Naturstein kenne ich nicht! Für Rasiermesser eigentlich nur bedingt verwendbar. Besser gesagt, bitte nicht für Rasiermesser verwenden. Der ist zu grob! Die Schleifspuren sind deutlich auf der Facette zu sehen. Das entfernen dieser dauert....! Die Auswirkung der Körnung ist auf den geschärften Rasiermesser sehr gut zu sehen. Die Spuren zeigen sich nach dem schärfen natürlich auch auf dem Messerrücken oder man muss vorher abkleben -- dann aber sehr oft wechseln, das Abklebeband ist schnell durchgescheuert. Ein neues Rasiermesser würde ich auf keinen Fall mit der Körnung schärfen! Der Nagura ist eher für das entfernen grober, also mit dem bloßem Auge sichtbare Ausbrüche an der Facette zu verwenden. Aber, wie gesagt, ich würde nicht jedes Rasiermesser mit dem Schärfschlamm des Nagura schärfen. Auch auf feineren, harten Hauptsteinen angerieben, bildet der 50x50x30mm große Nagura sehr schnell Schleifschlamm. Die Härte des Nagura ist eher weich einzuordnen. Die Körnung sehr grob, hier ist für mich eine Grenze erreicht und die Suche nach dem gröbsten japanischen Naturstein für Rasiermesser beendet. Der Nagura wurde aus dem großen Stein geschnitten und die Seiten mit Bootslack versiegelt.
Die Kanten gefast und Ecken verrundet. So benutzte ich den Nagura meistens auf einem sehr harten, groben Binsui. Aber auch nur selten, der Aufwand Messerrücken öfters abkleben oder Schärfspuren auf dem Messerrücken mühevoll entfernen, ist mir zu hoch. Es gibt bessere, grobe Natursteine.
Omura-Nagura
Der ca. 55x40x30mm große
Omura-Nagura ist ebenfalls ein Anreiber mit gröberer Kornstruktur. Deutlich feiner wie der "Ara-to" aber dennoch sehr grob! Der Omura ist sehr sauber, erscheint optisch fast schon wie ein synthetischer Schärfstein. Angerieben auf dem gleichen Hauptstein lässt sich schnell ordentlich Schlamm erzeugen. Aber auch auf andere Hauptsteinen -- wie zum Beispiel der im vorherigen Beitrag erwähnte Binsui -- lässt sich der Omura gut anreiben. Das Schärfgefühl ist zwar etwas hart, aber das Ergebnis und Schnelligkeit für einen groben Naturstein überzeugt.
Die Körnung "bricht" zögernd -- wenn überhaupt. Der Nagura wurde ebenfalls mit Bootslack versiegelt und die Kanten gefast, Ecken abgerundet.
Das ist eigentlich einer der ersten, gröberen Naguras die ich verwende um einer Facette eine neue Form anzubringen. Aber, der Omura ist gröber wie die nachfolgenden Naguras.
Amakusa-Nagura
Der ca. 53x32mm große Amakusa-Nagura ist 26mm dick. (Der Nagura ist weicher wie die beiden anderen, dadurch ist der Verbrauch deutlich höher.) Ein ganz wunderbarer Nagura -- der weiche Stein gibt sehr schnell Schärfpartikel frei und diese arbeiten schnell. Der Materialabrieb von der zu schärfende Facette ist schnell im Schlamm sichtbar. Grundsätzlich ist die Schnelligkeit nicht zu vergleichen mit synthetischen groben Schärfsteinen, aber für Natursteine im gröberen Bereich arbeitet der Amakusa dennoch sehr schnell. Von den gröberen Naguras verwende ich den Amakusa aufgrund seines angenehmen, weichen und feinen Charakter am liebsten. Die Kornstruktur "bricht" schnell und dadurch wird der Schlamm mit der Zeit etwas feiner. Weichere Amakusa sind eher seltener zu bekommen -- ich habe auch deutlich härtere Amakusas.
Der Amakusa ist ideal vor dem Aoto-Nagura. Damit wären wir auch beim nächsten Nagura.
Aoto-Nagura
Der Aoto-Nagura ist ca. 48x48x18mm groß und wurde auch an den Seiten mit Bootslack versiegelt. Ich erwähne die Versiegelung extra nochmal weil gerade bei den "weicheren" Steinen ist das wichtig...! Dieser Aoto ist wunderbar geeignet um die Schärfspuren von noch gröberen Steinen zu beseitigen, wie zum Beispiel die bereits erwähnten "Ara-to; "Binsui" und "Amakusa". Der Aoto-Nagura ist relativ weich, auch hier ist der Schlamm sehr leicht zu erzeugen. Der Schlamm ist ziemlich dunkel und so ist der Materialabrieb von der Facette nicht im Schärfschlamm zu erkennen. Das ist bei den helleren Steine eben ein Vorteil, der Abrieb ist schnell im Schlamm sichtbar! Das ist auch ein Grund weshalb die helleren Steine meistens teurer sind wie die dunkleren... Der Aoto arbeitet schnell und an der Facette bildet sich ein homogenes Schliffbild. An der Facette sind mit mit einer guten Lupe nur noch kleinste Ausbrüche an der Schneide sichtbar. Die Facette ist bereit für feinere Naguras.
Aoto-Nagura (rot/braun)
Maße: ca. 53x42x15mm. Farbe: rot/braun. Härte: eher weich -- leicht anzureiben. Eigentlich die gleichen Schärfeigenschaften wie der vorherige "blaue" Aoto. Hier ist aber der erzeugte Schlamm heller und somit ist der Materialabrieb im Schlamm nach einer Zeit gut zu erkennen -- der Schlamm wird einfach dunkler. Der rotbraune ist vielleicht noch einen Ticken feiner wie der blaue Aoto.
Hakka-Nagura
Der Nagura ist ca. 57x38x20mm groß. Der Stein ist eher weich und somit auch leicht anzureiben. Schnell ist viel Schärfschlamm angerieben.
Die Körnung ist feiner wie von den zuvor gezeigten Naguras. Der Hakka ist ein Bindeglied zwischen Formgebenden- und Abschlusssteinen. Schärfspuren von relativ groben Steinen werden zuverlässig entfernt und die Facette auf den Abschluss vorbereitet. Das Schärfgefühl ist auf harten, groben Natursteinen angenehm, aber auch auf harten feinen weich und sanft. Der Nagura erzeugt ein schönes, homogenes Schliffbild.
Takashima-Nagura.
ca. 36x36x22mm. Ebenfalls ein eher weicherer Stein, aber dieser ist "dichter" und feiner wie die anderen beschriebenen Naguras. Die vollständige Bezeichnung für den Stein ist:
Takashima Myokakudani Iromono. Die Schärfeigenschaften sind dem Hakka-Nagura ähnlich. Fein und schnell -- weich und sanft. Homogenes Schliffbild.
Der Nagura hat sehr schöne gelbe/orangefarbige Schichten. Der Nagura ist vor den Abschlussteinen gut geeignet. Ab jetzt zeige ich "Abschluss-Naguras."
Shoubudani-Nagura
Maße ca. 56x37x10mm. Jetzt kommen wir zu den Abschluss-Naguras. Der Shoubudani ist deutlich härter und dichter wie die zuvor beschriebenen Naguras. Schon sehr hart, aber noch nicht extrem hart. Will sagen: Schärfschlamm ist anzureiben, aber das braucht schon etwas Zeit bis man den angeriebenen Schlamm sieht. Deutlich sichtbaren angeriebenen Schärfschlamm auf harten bzw. sehr harten Hauptsteinen braucht man aber meistens nicht!
Ich reibe den flachen Nagura mit leichten Druck auf einen noch härteren Ozuku an und der erzeugte Schlamm ist erst nicht sichtbar. Sobald das Rasiermesser auf den Stein kommt schiebt sich eine leicht getrübte Schicht vor der Facette her.
Diese ganz leicht getrübte Schicht reicht völlig aus!!! "Hier ist weniger, mehr." Die Facette fängt an zu spiegeln.
Zum Schluss kommt noch ein "alter" Nakayama-Nagura.
Nakayama-Nagura
47x42x18mm. Der Nakayama-Nagura hat ganz ähnliche Schärfeigenschaften wie der zuvor gezeigte Shoubudani-Nagura. Der Nagura ist ebenfalls hart und dicht, der erzeugte Schärfschlamm sorgt für eine spiegelpolierte Facette.
Sehr schnell. Sehr fein.
Alle Naguras zusammen:
Von links, nach rechts. Von oben, nach unten. Von grob, nach fein.
Obere Reihe:
Ara-to.
Omura.
Amakusa.
Mittlere Reihe:
Aoto (blau).
Aoto (rot/braun).
Hakka.
Takashima
Untere Reihe:
Shoubudani.
Nakayama.
Ich vertrete ja die Meinung das
ein Hauptstein und
ein Nagura völlig ausreicht um ein Leben lang ein Rasiermesser rasurscharf zu halten. (Von einem Ausbruch an der Facette oder eben einer total verhunzten Facette mal abgesehen.) Je nach Zustand der Facette sind natürlich die gröberen Naguras sehr hilfreich. Einem Naturstein eine bestimmte Korngröße zu zuordnen ist eigentlich nicht möglich und führt oft zu falschen Angaben, Vorstellungen und Enttäuschungen. Ein Naturstein ist eben ein natürlicher Stein mit Schwankungen und nicht mit synthetischen Schärfsteinen vergleichbar. Deshalb habe und werde ich auf "konkrete" Angaben zur Körnung verzichten. Ich beschränke mich daher auf grober (Facette wieder herstellen.); mittelfeiner (Schärfspuren von groben Steinen entfernen.) und feiner (Facette "spiegelpolieren") Körnung.
Also ist die obere Reihe "grob", die mittlere Reihe "mittelfein" und die untere Reihe "fein" einzuordnen. (Was natürlich auch klar ist, dass es innerhalb dieser Einteilung auch große Unterschiede geben kann, wie zum Beispiel bei dem erwähnten "Ara-to" der gröberen Naguras...)
Wir haben also hier drei grobe, vier mittelfeine und zwei feine Naguras.
Alle Naguras wurde versiegelt.
-Andreas