Ein paar Bemerkungen zum Thema auch von meiner Seite: Verstopfte Klingen habe ich bei keinem System, egal ob Gillette (persönliche Erfahrungen mit G II, Sensor Excel, Mach 3, Fusion) oder Wilkinson (persönliche Erfahrungen mit Duplo II, Protector, Hydro 3), egal ob Rasiergel aus der Dose oder aus Creme/Seife mit einem Pinsel aufgeschlagener Schaum je erlebt, wenn ich mich spätestens alle zwei Tage rasiert habe. Einfaches Ausspülen des Klingenblocks von hinten mit warmem Wasser (scharfer Strahl aus dem Wasserhahn) hat bei mir bislang jede Pampe aus Rasierschaum und Stoppeln sofort entfernt. Bei einer Rasur von Mehrtagebärten wird es bei mir allerdings ab einem Dreiklingen-System schon problematisch mit der einwandfreien Reinigung durch einen warmen Wasserstrahl. Ergo: Für die tägliche Rasur sind Systeme m. E. durchaus geeignet, für nur gelegentliche eher nicht.
Mangelnde Gründlichkeit ist bei meinen Systemrasuren nie ein Thema gewesen, auch eingewachsenen Haare nicht, aber allgemeine Hautirritationen, wenn ich mir auf die Schnelle nur ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht geklatscht, ein bisschen "Dosenpampe" im Gesicht verrieben und dann sofort mit dem System gegen den Strich losgelegt habe. Man könnte auch sagen: Wenn ich vorsätzlich oder grob fahrlässig alles falsch gemacht habe, was man bei einer Nassrasur nur falsch machen kann, dann habe ich auch besch...eidene Ergebnisse erhalten.
Als mein am wenigsten verschmähtes System hat sich der Gillette Mach 3 etabliert, und ich habe auch keine Hemmungen (weder moralische noch sonstige), das dazugehörige Dosengel zu verwenden. Allerdings dauert eine sehr gute Systemrasur aufgrund der notwendigen Vorbereitung beinahe ebenso lange wie eine zügige, aber nicht überhastete Hobelrasur in 1,5 Durchgängen (= 1 x mit dem Wuchs, 1 x quer zum Wuchs an Hals und Kinn), bringt aber ein insgesamt gründlicheres Ergebnis.
Mein Grund für den Umstieg vom System auf den Hobel vor etwas mehr als einem Jahrzehnt waren oben besagte Hautirritationen, die, wie ich heute weiß, weit mehr auf schlechte Technik und überhastetes Vorgehen als auf grundsätzliche Mängel des Systems zurückzuführen waren. Erst der Umstieg auf die klassische Nassrasur brachte mich dazu, mich näher mit den Grundlagen der Rasur und denen der Dermatologie zu beschäftigen und an meiner Technik zu feilen. Und wenn man dann erst einmal in das faszinierende Paralleluniversum der klassischen Nassrasur eingetaucht ist, ...
Der langen Rede kurzer Sinn: Systemrasierer verächtlich zu machen halte ich für ebenso kontraproduktiv wie Dosengel zu verteufeln; beide Produkte haben ihre Berechtigung. Richtig angewendet gibt es bei den Systemen auch keine verstopften Klingen, die Voraussetzungen hierzu sind jedoch eine tägliche Rasur und der großzügige Gebrauch warmen Wassers.
Eine abschließende Anmerkung sei mir gestattet zum immer wieder vorgetragenen Argument, dass die klassische Nassrasur Geld sparen würde und umweltfreundlicher wäre, weil auf Plastik- und Dosenmüll verzichtet würde. Dieses Argument trifft in der Tat zu, aber nur unter einer Voraussetzung: Ich finde ohne langes Probieren, also quasi auf Anhieb, einen zu mir passenden Rasierhobel, eine zu mir passenden Klingensorte, die nur in Päckchen aus Pappe und Papier daherkommt, eine oder zwei geeignete Sorten Rasiercreme oder -seife (und da produziere ich i. d. R. ebenfalls Plastikabfall wegen der Dosen und Tuben) und einen passenden Pinsel. Ich beschränke mich also auf ein unter rein funktionalen Aspekten ausgewähltes Rasierzeug, bleibe dabei für den Rest meines Rasierlebens und verzichte auf alle weiteren Experimente mit anderen Nassrasur-Produkten. Mit dieser aus heutiger Sicht irrwitzigen Vorstellung begann ich damals übrigens auch mit der klassischen Nassrasur.
Die allermeisten von uns sind allerdings im Laufe der Monate oder Jahre seeehr tief in oben besagtes Paralleluniversum oder Wurmloch eingetaucht und nennen Dutzende von Hobeln/Messern, Seifen, Klingensorten und Pinseln ihr Eigen. Mit dem damit veranstalteten Aufwand an Geld, Material und Emissionen durch Versandhandel, Probenversand untereinander usw. hätten wir uns alle drei bis vier Leben lang mit einem System und Dosengel rasieren können. Ich denke, das wisst ihr ebenso gut wie ich auch und ihr werdet mir wahrscheinlich auch zugeben, dass man das, was wir hier "veranstalten", neutral als "Überkonsum" oder sehr drastisch als "dekadenten Hedonismus" bezeichnen darf.