Neues aus dem Natursteingarten…die erste „Ein-Stein-Progression“
auf dem Gelben Belgischen Brocken (GBB)
Es heißt es ja häufig „Das musste ja so kommen…“ und nur allzuoft wird diese Ausdrucksweise angewendet, wenn es um etwas negatives geht, vornehmlich wenn über eine bestimmten Person besserwisserisch geurteilt wird. Ganz so schlimm oder dramatisch ist es bei der beschriebenen „Steinzeit“ von mir ja nicht, dennoch war es für mich logisch, dass es auch bei der Nutzung des Gelben Belgischen Brockens nach anfänglichen Versuchen nun zu einer „Ein-Stein-Progression“ gekommen ist, es musste halt so kommen…Spieltrieb & Neugier waren wieder Sieger…
Nach der erfolgreichen Progression mit dem NANIWA 1K zum Setzen der Facette und anschließendem Gang über den GBB bis zum Finish brachte für mich schon ein recht annehmbares Ergebnis und machte mich gleichzeitig sehr neugierig in wie weit ich eine Progression ausschließlich auf dem GBB hinbekomme. Bei der Wahl des Rasiermessers ging ich diesmal einen ganz anderen Weg als den, den ich bisher bei allen „neuen“ Progressionen gegangen bin. Ich habe kein Übungsmesser, kein bereits geschärftes und/oder benutztes Messer ausgewählt, sondern ein neues, unbenutztes Messer aus meinem Bestand, der heutige Protagonist ist ein DOVO Best Quality in 6/8. Wie immer bei neuen Messern habe ich auch bei dem DOVO die Auslieferungsschärfe getestet und (fast) wie immer, wurde auch hier leider wieder bestätigt, für mich ist dieses Messer so nicht rasurbereit und somit ist eine „Steinzeit“ eh unumgänglich.
Die Progression
- Gelber Belgischer Brocken (GBB) in 70x130mm*
- Leinenriemen
- Quercur Cordovan (Der Spanier) & InjeNer Latigo/Juchten
+ Zubehör: dmt Dia-Karte „extra fein“ (ca.1200)
Bevor es losgeht habe ich die Schneidkannte des DOVO auf der Seitenkannte meines NANIWA 1K „genullt“ und auch festgestellt, dass da kein Haar mehr geschnitten wurde. Trotzdem es sich um ein neues Messer handelt, habe ich mich zum Abkleben entschieden und entsprechend den Rücken mit einer Lage Tape abgeklebt. Zu Beginn der Progression habe ich mit dem Anreiber einen kräftigen Slurry erzeugt, wobei die Konsistenz in etwa mit Buttermilch zu vergleichen wäre. Da es ja kein „Setzen der Facette“ in herkömmlichen Sinne ist, denn der Stein bleibt ja der Gleiche, ist hier die Vorgehensweise von mir auch etwas anders. Ich gehe mit der „Scheibenwischer“-Methode mit anschließenden Wechselschüben vor, d.h. erst nach einer gewissen Anzahl von aufgelegten Schüben, nur die Schubbewegung nach vorn wird genutzt, die „Rückfahrt“ ist ohne jeglichen Druck und quasi ein Leerlauf, wird das Messer gedreht und die gleiche Anzahl der Schübe erfolgt jetzt auf der anderen Seite. Meine Anzahl der Schübe geht rückwärts gezählt von 16-14-12-10-8-6-4-2, dann folgen gut 25 Wechsellschübe. Zu Anfang mache ich das Ganze 2 x, dann habe ich den GBB erneut angerieben um entsprechend neuen Slurry mit gleicher Konsistenz zu bekommen. Es folgten erneut 3 Durchgänge der oben beschriebenen Vorgehensweise. Ein erster Versuch die spärlich vorhandenen Armhaare zu kappen erfolgte leider noch ohne entsprechendes Ergebnis. Also nochmal alles von vorn und zwei weitere Durchgänge und und der Versuch Armhaare bzw. Beinhaare zu kappen, war nun bei aufgelegter Klinge von Erfolg gekrönt.
In einer herkömmlichen Progression käme hier jetzt der Wechsel auf den nächsten, feineren Stein, hier ändert sich nur die Konsistenz des Slurry in Richtung dünnflüssiger, alles andere bleibt erst einmal gleich. Von jetzt an ging es ja darum, die Schneidkannte zu verfeinern und auf das Finish, das polieren vorzubereiten. Nach jedem kompletten Durchgang kontrolliere ich die Schneidkannte unter dem Mikro und stelle äußerst befriedigend und auch beruhigend fest, dass sich die Schneidkannte langsam aber stetig zum positiven verändert. Dann folgt neuerliches Anreiben, aber Ziel ist ein immer dünneren Slurry zu bekommen und so folgten weitere 2 Durchgänge und erste Versuche eines Haartest, der letztendlich auch funktionierte, zwar noch nicht durchgängig auf der gesamten Schneidkannte, aber immerhin…
Man könnte sagen, nun beginnt das „Finish“ und entsprechend meiner bisher gesammelten Erfahrungen mit dem BBB und dem GBB bereite ich nun das Steinchen vor. Mit einer gründlichen Reinigung unter fließendem Wasser entfernte ich allen bisher entstandenen Slurry, denn ab jetzt darf es keinen mehr geben. Den gereinigte Stein reibe ich nun mit der dmt Dia-Karte (extra fein, ca. 1200) an und entferne auch diesen Slurry restlos unter fließendem Wasser. Das Ziel dieser Methode ist es, die Granate, d.h. die eigentlichen Schleifkörper im GBB „freizulegen“. Da es ab jetzt ausschließlich um das polieren der Facette/Schneidkannte geht, darf kein Slurry entstehen, sobald sich durch die ab jetzt angewendeten Wechselschübe der sog. „Auto-Slurry“ bildet, entferne ich diesen sofort unter fließendem Wasser.
Beim Finish verwende ich ausschließlich Wechselschübe, nicht zuletzt um einer (zu großen) Gratbildung vorzubeugen. Nach den erste 3 Sätzen geht es mit großer Erwartung und Spannung zum Haartest…hat sich etwas verbessert, aber gelingt noch nicht über der gesamten Länge zu meiner Zufriedenheit. Ein neuerlicher Blick durchs Mikro zeigt aber guten Fortschritt in Richtung polierte Schneidkannte…Hurra! Es geht wohl dem Ende entgegen. Irgendwie habe ich jetzt auch mit dem Zählen der Doppelschübe nachgelassen, absolviere das Finish eher nach Gefühl. Es mögen insgesamt vielleicht gut 10-12 Sätze ausschließlich mit klarem Wasser und Wechsellschübe gewesen sein, bis der HT über die gesamte Lönge annehmbar funktionierte. Es geht zum finalen Ledern…
…zuerst auf den Spanier für gute 6 Sätze. Meine Neugier unterbricht hier die vorgenommene Anzahl an Sätzen…na, für was wohl…natürlich den HT. Was soll ich sagen, ein ziemlich breites Grinsen macht sich in meinem Gesicht bemerkbar…ein guter HT auf ganzer Länge…na bitte, geht doch! Es folgt der InjeNer Latigo/Juchten mit 2/2 Sätzen und dann zum letzten Mal für gut 3 finale Sätze und ein paar einzelne für die Schärfgeister auf den Spanier.
Habe fertig…
Bei der ersten Rasur mit dem Messer habe ich ein bekanntes und zuverlässiges Set-Up gewählt, um mich dabei wie immer in erster Linie auf das Messer konzentrieren zu können. Nachdem die Vorbereitung mit Amerikan Crew Preshave-Öl und der Haslinger Ringelblume abgeschlossen waren, war ich sehr auf die ersten Züge mit dem Messer gespannt und wurde nicht enttäuscht. Schon die Wangen hinab war ein sehr sanftes Rasurverhalten kennzeichnend, Schärfe und Gründlichkeit sind ebenfalls gut. Es gibt keinerlei ziepen oder ziehen, auch gegen den Strich den Hals hinauf bis zur Kinnkannte ging problemlos. In den Problemzonen wie unterhalb der Nase und Unterlippe ging es genauso reizfrei und gründlich an die Stöppelkes wie gegen den Strich an den Wangen. Am Ende der Rasur folgt nach kaltem Wasser zuerst der prüfende Blick in den Spiegel…vor allem mein Problembezirk Nr.1, die linke Kinnkannte stellt mich schon zufrieden, es ist dort nicht 100%, das schafft jedoch kaum ein Messer. Zufrieden macht mich auch als Finale das AS, es hat sich nur an einer kleinen Stelle am Hals kurz gemeldet, ansonsten hat es nix zu meckern.
Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und bin sehr auf das weitere Rasurverhalten wie etwa die Standzeit des Messers gespannt. Es wird mit Sicherheit in der nächsten Zeit öfters an die Reihe kommen.
Zur RdT bitte
hier entlang…
Fazit
Die „Einstein-Progression“ hat gut funktioniert, der verwendete, fast neue GBB hat sich m.E. schon ggü. seinen ersten Einsätzen verändert, zum Positiven. Er ist jetzt nicht rasend schnell geworden oder ist zu einem Zauberstein mutiert, man sollte schon wissen, wie er funktioniert und dabei Konzentration und Geduld aufbringen. Dennoch freue ich mich, einen weiteren Schritt in Sachen „Schörfen“ erfolgreich geschafft zu haben, vor allem, weil es auf einen der „alten“ Steine ging, wie man sie vor Jahrzehnten noch nutzte und zudem aus dem europäischen Raum stammt. Aber ja, es gibt auch was zu meckern…er könnte größer sein…aber das ist wohl heutzutage eher ein Luxus-Problem und kann ja auch gelöst werden…wenn man das möchte, oder kann, oder will, oder Euro, oder…
Gruß
Gregor
*) Viele werden sich fragen, warum immer eine so hohe Anzahl von Sätzen, Doppelschüben etc., ganz einfach, bei 130mm Gesamtlänge und somit resultierender nutzbaren Länge von gut 100mm ergibt sich das von selbst.
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Anm.: 1 Satz sind immer 10 Wiederholungen (10x), egal ob Einzelschübe, Wechselschübe, Doppelzüge oder was auch immer womit wodrauf gemacht wird.
Als Zubehör/Werkzeug diente bewährtes: Edding, Tesa Tape, Schußzähler, Uhrmacherlupe+Stirnhalter, Bin-Mikroskop, ne’ Schärfbrause, groovige Musik und eine Menge Spaß am Ganzen!