Höchst interessantes Thema! Ich kann Maranthanas Eindruck zum Teil bestätigen, wobei ich soweit gehen würde, das Messer als eine eigentlich komplett eigenständige Rasurart zu bezeichnen. Ich finde, das Messer ist vom Hobel fast soweit weg wie eine Elektrorasur. Ich finde das Messer mit keiner andern Art der Rasur direkt vergleichbar, auch nicht mit einer Shavette, die ich anders führe, vom Ansatz her, vom Winkel, beim Druck, auch durch die verschiedene Länge der Klingen anders, ich beziehe mich auf DE.
Bei mir hat's beim Messer erst "klick" gemacht, nachdem ich ledern konnte. Nicht, dass ich zwei linke Hände hätte, ich hab zum Beispiel nicht in einen Riemen geschnitten. Aber die Kreuztechnik, Wenden in den Fingern, richtigem Anpressdruck an der richtigen Stelle, richtiger Geschwindigkeit, haben viel Übung gebraucht. Auch musste ich herausfinden, dass es für mich ergonomischer ist, den Riemen etwas über Kopf an einem Haken zu befestigen, auf und ab zu ledern, statt an einem Türgriff auf Ellbogenhöhe. Fantastische Resultate erziele ich mit einem verhältnismäßig schmalen Ledergürtel. Das war aber ein "Zufallsfund". Beim Messern ist noch Luft nach oben. Ich müsste wohl dauernd nur mit dem Messer rasieren, um wirklich gut zu sein, aber das möchte ich nicht. Es ginge auch nicht.
Was nun das Rasurgefühl angeht, ist das Messer um Einiges herber als jede andere Art der Rasur. Man spürt genau, was passiert. Legt man es nicht darauf an, so gründlich wie mit dem Hobel zu werden, ist es aber (bei mir) eine recht hautschonende Variante. Das Ergebnis lässt sich von der Gründlichkeit dann mit einer sehr gründlichen Elektrorasur vergleichen. Ich kann es auch gründlicher machen, aber dann kommen bei mir Reizungen. Ich muss sein Gesicht und Haar sehr genau kennen, die Anforderung in allen Bereichen ist am höchsten. Eine halbe Stunde habe ich mir nur zu Anfang Zeit genommen, jetzt ist es vielleicht 15 Minuten bis 20 Minuten, inklusive Messer trocknen, was ich penibel mache, zumal ich auch nicht einöle, außer ich wüsste, das Messer liegt ein Jahr. Mit Messer mache ich nur 2 Durchgänge, nicht vier wie mit dem Hobel. Das Messer ist auch durch die Klingenlänge nicht so wendig. An großen Flächen ist man aber sogar schneller, verliert aber wieder Zeit, weil man mehr acht geben muss.
Mittlerweile habe ich auch andere mit dem Messer rasiert, und kann sagen, das Ergebnis ist ok. Ich glaube, ich kann es an andern besser als an mir selber. Deswegen war das Messer historisch auch nicht unbedingt "zur Selbstrasur". Die Altvorderen gingen zum Friseur (nicht: Barber), dort hatte man sein eignes Messer liegen, das der Friseur unterhielt. Ich glaube, da ist was dran. Hobel wurde dann zur Selbstrasur genommen. Den Rotbart Hobeln lag ein Heftchen "Winke (Tipps) für die Selbstrasur" bei. Viele sind dann aber in den 60er/70er Jahren zur Elektrorasur übergegangen, nach relativ kurzer Hobelphase. Das galt als modern. Als mein Großvater mich mit Hobel hantieren sah, fragte er mich, warum ich nicht elektrisch rasiere, das sei doch viel schneller und "moderner". I
Ich nehme das Messer nie, wenn ich einfach nur rasiert sein will. Ich nehme es bewusst an manchen Tagen, wenn ich Lust drauf habe. MÜSSTE ich mich mit dem Messer rasieren, würde ich erstmal die Rasurfrequenz deutlich reduzieren. Auch mit dem Hobel rasiere ich mich nicht jeden Tag, sondern nach 4 Durchgängen - mit, quer, in die andere Richtung quer, gegen - reicht jeder zweite Tag. Ich persönlich finde den Hobel schneller, gründlicher und nachhaltiger als das Messer. Das Messer KANN schonender sein, aber nur, wenn ich nicht versuche, ein Hobelergebnis zu erreichen.
Noch schonender ist bei mir nur die Elektrorasur, wenn ich mich dran gewöhnt habe, aber sie ist bei mir nicht nachhaltig und macht auch keinen Spaß. Der Geruch von verbranntem Horn (Haar) sowie das fehlende Wasser, der ungleichmäßige Schnitt und das schnelle Nachwachsen verleiden mir das. Systemrasur finde ich kaum schneller als Hobelrasur (jedenfalls wenn ich das gleiche Ergebnis erzielen will), genauso gründlich, vielleicht nicht ganz so nachhaltig. Vom Schonungsgrad her finde ich, ist Elektro am schonendsten, dann kommt das Messer (nur, wenn man es beherrscht), System und Hobel sind für mich gleichauf und untereinander am ähnlichsten. Das ist aber nur meine Meinung und sehr subjektiv.
Müsste ich mich für eine Gerätschaft auf Dauer entscheiden, wäre es bei mir der Hobel, weil er einen Kompromiss darstellt aus Schnelligkeit, Spaß und Schonung. Der gründlichste und nachhaltigste ist er bei mir, mit meinen Fertigkeiten, ohne Zweifel.