Es stimmt das die Gebrüder Becher nach 1808 das ursprünglich von George Brittain stammende Markzeichen in der Solinger Messermacherrolle eingetragen haben. Ob die Gebrüder Becher aber jemals unter diesem Zeichen Messer oder sonstige Schneidwaren produziert haben ist ungewiss. Und Rasiermesser wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Solingen praktisch nicht hergestellt. Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, war Daniel Peres der erste, der kurz nach 1800 überhaupt in Solingen damit begann. Da Rasiermesser aber nicht zu den eingetragenen Schneidwaren zählten, lehnten es die alteingesessenen Schleifer und Fabrikanten bis Mitte/ Ende des 19. Jahrhunderts ab, unter ihrem Namen Rasiermesser überhaupt herzustellen.
Es ist davon auszugehen, daß das ursprünglich von George Brittain stammende Zeichen den Gebrüdern Becher bekannt war und sie es mit Absicht übernahmen und in die Messermacherrolle eintragen ließen, um sich aufgrund der Ähnlichkeit (hier eigentlich schon Gleichheit) der Zeichen Vorteile zu verschaffen.
Zur gleichen Zeit, als sich die Gebrüder Becher das von George Brittain stammende Zeichen in die Messermacherrolle eintragen ließen, lief ein Rechtsstreit in dem einer der beiden Brüder, nämlich
Jacob Becher, und
Daniel Peres beteiligt waren. Daniel Peres befürchtete durchaus, daß andere Schleifer beabsichtigen könnten, auch Rasiermesser („Schermesser“) herzustellen. Der Rechtsstreit entstand, als Jacob Becher versuchte, Zeichen in die Messermacherrolle aufnehmen zu lassen, die dem von Daniel Peres benutzten Aufdruck „D. Peres“ sehr ähnlich waren. Da Daniel Peres selber nicht zu den „Privilegierten“ gehörte, wie einige Beiträge weiter oben bereits ausgeführt wurde, hatte er nicht die Möglichkeit, sein eigenes Zeichen in die Messermacherrolle aufnehmen und damit gegen Nachahmung schützen zu lassen.
Der den Rechtsstreit begleitende Briefwechsel ist gut dokumentiert und kann in dem Buch „Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie, Band 7“ aus dem Jahr 1916 teilweise nachgelesen werden.
In einem Brief vom 2. Januar 1808 an den Notar Marchand in Solingen schreibt Daniel Peres:
„Es geht so weit daß ein gewisser mir unbekannter Jacob Becher sich erlaubt hat, die Worte: D. Fires D. Pires D. Piras als Messerzeichen zweimal in der Kirche ausrufen zu lassen. Da sie alle drei meinem Namen Daniel Peres, den ich auf meine Scher- und Federmesser [Anm. mit Schermesser sind sicherlich Rasiermesser gemeint],
Lichtscheren und sonstige Stahl- und eiserne Waren schlage, seitdem ich meine Fabrik etabliert habe….“
Der Protest, den Daniel Peres beim zuständigen Vogt einlegte, wurde nicht angekommen. Peres vermutete eine Verschwörung gegen ihn als „Nicht-Privilegierten“ und wandte sich per Brief an den Minister des Innern im Großherzogtum Berg.
Hier einige Auszüge aus dem Schreiben:
„Meine feinen Politurfabrikate nach englischer Art und besonders meine Scher -und Federmesser bezeichne ich seit der Errichtung meines kostspieligen Etablissements mit meinem Namen D. Peres. Ich habe dieses von mir gewählte Zeichen wirklich schon in Ruf gebracht. Der Neid anderer privilegierter Messerfabrikanten zu Solingen mißgönnt mir das. Einer der Ratsleute Jacob Becher erlaubte sich nämlich die Wörter: D. Fires, D. Pires, D. Piras als von ihm ersonnene Messerzeichen öffentlich ausrufen zu lassen. Sobald ich dieses vernahm, meldete ich mich mit einer Protestation bei dem Meßmacherhandwerksgericht gegen die Eintragung jener Zeichen in die Zeichenrolle, weil sie die größte Ähnlichkeit mit meinem als Zeichen gewählten Namen haben und notwendig damit verwechselt werden müssen.“
„War mir als Unprivilegiertem, die Gelegenheit benommen, meine Zeichen zur Sicherung meines ausschließlichen Rechtes in ein öffentliches Register oder in eine sogenannte Rolle eintragen zu lassen, so konnte freilich in Hinsicht auf die Zeichenrolle der Privilegierten der Becher vielleicht keinen Widerstand finden, um seine neu gewählten Zeichen eintragen zu lassen.“
„Meine Scher- und Federmesser bezeichnete ich just mit meinem Namen D. Peres. Es könnte mir also kein größerer Eintrag geschehen, als wenn es dem Becher, oder seinem künftigen Zessionär durchgehen sollte, die meinem Namen ganz ähnlichen Zeichen, welche er ersonnen und als seine ausschließlichen Messerzeichen in die Rolle eingetragen haben will, künftig auf Scher- oder Federmesser zu schlagen. Das ist aber der einzige Plan des hinter dem Becher sich versteckt haltenden Dritten, denn er selbst ist nur ein Gabelschmied und läßt keine Messer fabrizieren. Daß ein jeder privilegierte Messerfabrikant seine eigentümlichen Messerzeichen auf alle anderen Stahl- und Eisenwaren zu prägen berechtigt ist, gehört ebenfalls unter die bekanntesten Dinge. Ich würde daher in der Folge Gefahr laufen, daß ein Dritter die nämlichen Stahl- und Eisenwaren, welche ich nach englischer Art verfertigen und mit meinem Namen bezeichnen lasse, fabrizieren, und zum Verderben meiner Fabrik mit den meinem Namen ganz ähnlichen Zeichen bezeichnen lassen würde.“
Das Antwortschreiben der Regierung vom 22. Januar 1808 an den Obervogtverwalter gab Daniel Peres schließlich Recht und fiel wie folgt aus:
„Sie erhalten hierbei in Abschrift eine Vorstellung des verdienten Fabrikanten Daniel Peres in dem Kirchspiel Solingen, woraus sich ergibt, daß ein anderer dortiger Fabrikant von der privilegierten Klasse, Jacob Becher genannt, für seine Fabrikate Zeichen gewählt und dem Handwerksvorstand zur Eintragung in die dortige Zeichenrolle vorgelegt hat, welche seinem Namen so nahe kommen, daß sich dabei keine andere Absicht voraussetzen läßt, als die Abnehmer zu täuschen. Jener Becher wird hierin von dem Vorstand des Meßmacherhandwerks aus nichtigen Gründen unterstützt. Da indessen ein solches Vornehmen nichts anderes als eine mehr oder minder verdeckte Beeinträchtigung des Supplikanten und Täuschung der Abnehmer zum Zwecke haben kann, welches in keiner Rücksicht zu dulden ist, so werden Sie angewiesen, keinem Fabrikanten den Gebrauch des Zeichens oder Namens eines anderen privilegierten oder unprivilegierten Fabrikanten oder auch nur eine Nachahmung desselben, wie hier beabsichtigt wird, wider seinen Willen zu gestatten, viel weniger dessen Bekanntmachung oder Eintragung in die Zeichenrolle zu dulden, auch dem Fabrikanten, welcher über ein solches Vornehmen Beschwerde führt, nach den Umständen jederzeit Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen.“
Von der Form her ist das Messer ganz klar ein Sheffielder Messer etwa um 1850. Allein vom Aussehen aber passen Vorder- und Rückseite einfach nicht zusammen. Wenn man nur die Vorderseite mit dem Markzeichen sieht, würde man es klar George Brittain zuordnen. Wenn man nur auf die Rückseite sieht, würde ich sagen, es handelt sich mit dem ausgeprägt geschliffenen Ansatz um ein Solinger aus vielleicht Mitte des 20. Jahrhunderts. Ist das Messer auf dieser Seite nachgeschliffen worden?
Die Prägung Solingen ist mit dieser Form Buchstaben so niemals in einen Rohling von Beginn/ Mitte des 19. Jahrhunderts geschlagen worden. Das ist ganz sicher erst nachträglich erfolgt.
Ich erkenne neidlos Deine Expertise an
und kann dazu nichts beitragen.